Arbeiterräte

Vom Sozialismus zur Wirtschaftsdemokratie?

Ein kurzer Abriss über Ideen ökonomischer Demokratie in der deutschen Arbeiterbewegung

Bis heute wird die Unterscheidung zwischen Sozialismus und Kapitalismus oft missverständlich auf den Gegensatz zwischen »Staat« und »Markt« und das assoziierte Gegensatzpaar »Planung« vs. »Freiheit« reduziert. Im Gegensatz zu dieser landläufigen Vorstellung spielten jedoch Freiheit und Demokratie in der Ideengeschichte des Sozialismus immer eine zentrale Rolle. Zwar gab es in der frühen Neuzeit eine ganze Reihe frühsozialistischer Utopien mit deutlich autoritären Zügen, von denen Thomas Moores »Utopia« die bekannteste und prägendste ist. weiterlesen »

Richard Müller. Der Mann hinter der Novemberrevolution.

Rezension von Dario Azzellini

"Der heute weitgehend unbekannte Richard Müller war Leiter der Revolutionären Obleute und politisch „zwischen 1916 und 1921 eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung“ (S. 216) in Deutschland. Die Revolutionären Obleute waren eine der Gruppen, die zu den Organisatoren der Massenstreiks 1916–1918 gehörten, und die einzige Organisation, die gegen den Krieg arbeitete und über eine Verankerung in den Betrieben verfügte.
Und sie waren die zentrale Stütze der Novemberrevolution 1918. weiterlesen »

Ralf Hoffrogge: Richard Müller. Der Mann hinter der Novemberrevolution

Rezension von Christoph Jühnke

Biografien waren einst den großen Männern der Geschichte vorbehalten und galten – je nachdem, welcher Weltanschauung man anhing – mal als die Krönung der geschichtswissenschaftlichen Kunst und mal als deren zu vernachlässigendes Hinterteil. Mit dem nachhaltigen Einbruch einer die strukturellen Klassengrenzen in Frage stellenden und auf allgemein menschliche Emanzipation zielenden Geschichts-schreibung ›von unten‹, und mit dem parallelen, sich damit gelegentlich überschneidenden, Aufstieg einer sich auf Strukturen konzentrierenden Geschichtsschreibung, kamen sie dann weitestgehend aus der Mode. Doch Moden ändern sich bekanntlich – und die Biografie ist mächtig en vogue Bei dem seit vielen Jahren vor sich gehenden Boom einer Rückkehr zur Biografie dürfte es sich aber weniger um einen schlichten Pendelschlag rückwärts handeln, als vielmehr um eine mindestens partielle Überwindung der beiden alten Dichotomien. Denn was eine Vielzahl dieser unterschiedlichsten Arbeiten auszeichnet, ist gerade ihre Verbindung von Sozial- und Individualgeschichte. Unverkennbar schlägt sich in ihnen die Tendenz nieder, Geschichte von der Strukturebene auf die Ebene realer Menschen und ihrer Rolle in der Geschichte herunter zu brechen – ein Ansinnen, das nachvollziehbar auch damit zusammenhängen dürfte, dass Menschen von einem solchen Blick Rückschlüsse erwarten über den eigenen Ort ›in der Geschichte‹ und die eigenen Möglichkeiten, ›Geschichte zu machen‹. weiterlesen »

Das Rätesystem in Deutschland

Diese Überlegungen zum "Rätesystem in Deutschland" verfasste Richard Müller, in der Novemberrevolution 1918-1919 Vorstitzender des Berliner Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte, im Jahr 1921 für einen Sammelband mit dem Titel "Die Befreiung der Menschheit". Der Aufsatz fasst die Thesen des sogenannten "Reinen Rätesystems" zusammen, wie es von Ernst Däumig, Richard Müller und anderen Protagonisten der Novemberrevolution seit dem Frühjahr 1919 entwickelt wurde.

1. Entstehung des Rätegedankens

Der Rätegedanke und die Arbeiterräte werden des öfteren als spezifisch russische Erscheinung bezeichnet. Das beruht auf einer Verkennung der objektiven Ursachen dieses neuen Gedankens. Der Rätegedanke ist eine Ausdrucksform des proletarischen Klassenkampfes, der proletarischen Revolution, die sich im entscheidenden Stadium befindet. Man könnte allerdings aus der Revolutionsgeschichte früherer Jahrhunderte ähnliche Erscheinungsformen nachweisen; doch darauf will ich im Rahmen dieser Arbeit verzichten.
Im Jahre 1905 brach die erste Periode der russischen Revolution an. Bis zu dieser Zeit duldete der Zarismus keine Arbeiterorganisationen. Er unterdrückte die Gewerkschafts- wie auch die politische Parteiorganisation. Nicht unterdrücken konnte er aber die vom Kapitalismus selbst geschaffenen Organisationsgebilde der Arbeiter in den Großbetrieben. Hier führte die entwickelte kapitalistische Produktionsform die Arbeiter zu großen Massen zusammen. Ohne organisatorisch fest verbunden zu sein, lösten die gemeinsamen Interessen der in den Großbetrieben zusammengeballten Arbeitermassen einheitliche Willensbekundungen aus. weiterlesen »

Die endlich entdeckte politische Form

Fabrikräte und Selbstverwaltung von der russischen Revolution bis heute

Die endlich entdeckte politische Form« ist das aktuell reichhaltigste und umfassendste Werk zu Arbeiterkontrolle, Fabrikräten und Selbstverwaltung von der russischen Revolution bis heute.

Statt des üblichen Verlagstextes hier die Stimmen zur englischen Ausgabe (Haymarket Books, 2011):

»Die endlich entdeckte politische Form ist das aktuell reichhaltigste und umfassendste Werk zu Arbeiterkontrolle und Selbstverwaltung. Es bietet eine grundlegende Darstellung von Arbeiterbewegungen im Verlauf von Aufständen, direkter Aktion und Fabrikbesetzungen unter einer Brandbreite verschiedener Gesellschaftssysteme. Ich kann diese Arbeit entschieden empfehlen. Sie bietet weltweite Beispiele für Arbeiter im Kampf um Gerechtigkeit und Macht, von der Pariser Kommune bis zur Gegenwart.« Gary Younge, Kolumnist, The Guardian

»Hervorragend! Eine sehr umfassende, seriöse und inspirierende Darstellung der Bewegungen, die es zum Standardwerk und Bezugspunkt zukünftiger Debatten und Aktionen machen wird. Eine großartige Quelle der Information und Reflexion.« John Holloway, Universität Puebla, Mexiko, Autor von Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen.

»Die 22 Kapitel des Sammelbandes decken eine sehr beeindruckende Bandbreite von Erfahrungen der arbeitenden Klasse quer durch verschiedenste geografische Räume ab – Asien, Europa, Lateinamerika, USA und Kanada –, vom Europa des frühen 20. Jahrhunderts bis zur neoliberalen Phase des Kapitalismus in den 1990ern, in kapitalistischen wie auch sozialistischen Staatsgebilden im Verlauf des 20. Jahrhunderts.« Prof. Rana P. Behal (Neu Dehli, Indien), Vereinigung Indischer Arbeitshistoriker weiterlesen »

Einblicke in den Rätediskurs: Zu den programmatischen Ansätzen der 68er-Bewegung

„Ihr müßt diese Typen sehen. Ihr müßt ihnen genau ins Gesicht sehen. Dann wißt ihr, denen geht es nur darum, unsere freiheitliche Grundordnung zu zerstören!"
(vgl. u. a. DER SPIEGEL 1968a: 24; Ditfurth 2008: 18)



I. Rätediskurs innerhalb der 68er-Bewegung: Ein Überblick

Am 1. Dezember 1966 konstituierte sich die „Große Koalition“ unter Führung Kurt Georg Kiesingers. Die parlamentarische Opposition schien, bei einem Verhältnis von 447 (SPD- und CDU/CSU-Fraktion) zu 49 (FDP-Fraktion) stimmberechtigten Abgeordneten2, außer Kraft gesetzt bzw. nicht mehr im Stande als regulierende Instanz eingreifen zu können. Die Bildung einer so genannten „Außerparlamentarischen Opposition“ (APO), deren Wortschöpfung fälschlicherweise Rudi Dutschke zugeschrieben wurde (vgl. hierzu Vogel 2005: 150 ff.), schien diesbezüglich die logische Konsequenz eines verstärkten Bedürfnisses linksliberaler Gesellschaftsschichten, nicht nur aus dem studentischen Milieu, nach politischer Einflussnahme zu sein. weiterlesen »

Die Münchner Räterepubliken: Soziale Revolte oder politisches Emanzipationsprojekt?

Der Aufstand der Münchner Arbeiter, Soldaten und Bauern, aber auch einiger Schichten des Bürgertums am und nach dem Ende des I.Weltkriegs ist bei weitem nicht die einzige Erhebung gewesen, die aus der allgemeinen Krisenhaftigkeit der Zustände am Ende des Krieges erwuchs. Im Gegensatz zu den übrigen Rätemodellen, die eher im Norden der sich konstituierenden Weimarer Republik zu finden waren, war der bayerischen (oder baierischen, wie sie sich selbst bald nannte) Variante jedoch eine deutlich längere Lebensspanne gewährt. Dies hängt, wie zu zeigen sein wird, vor allem mit der Regierungszeit des rätefreundlichen Kurt Eisner zusammen, unter dessen Mandat sich die Strukturen und Geisteshaltungen, die im Frühling 1919 zur Räterepublik drängten, erst aufbauen und entfalten konnten. weiterlesen »

Anton Pannekoek

Anton Pannekoek (1873-1960)

 

Anton-Pannekoek-Archiv auf Deutsch im Marxists’ Internet Archives
http://www.marxists.org/deutsch/archiv/pannekoek/index.htm

Theorists: Topic: 

Alle Macht den Sowjets?

Der Kronstädter Aufstand als Schlusspunkt der russischen Revolution

Vor 90 Jahren, im Frühjahr 1921, erhoben sich die Matrosen des Marinestützpunkts Kronstadt gegen die Regierung der russischen Kommunisten. Sie, die einstige Speerspitze der Revolution, taten das nicht, um den Sozialismus zu bekämpfen. Ganz im Gegenteil: Sie wollten ihn vor der drohenden Erstickung durch die autoritären Männer um Lenin retten. Ihr Mittel dazu waren basisdemokratisch gewählte Räte, die der Allmacht der kommunistischen Partei entgegengesetzt werden sollten. weiterlesen »

Inhalt abgleichen