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  • Portuguese, Portugal
    14/09/12

    Resumo

    A Comuna de Paris foi uma revolução proletária inacabada que teve como grande significado político a manifestação de uma política proletária. Essa política proletária ficou manifesta na essência autogestionária da mesma. A negação proletária das instituições burguesas conviveu com o esboço de afirmação proletária da autogestão social. Assim, é fundamental perceber as ações efetivadas pelos proletários de Paris e a reação burguesa, nas quais se colocam frente a frente duas formas de efetivar a luta política de classe. A luta proletária saiu derrotada, mas deixou germinar a percepção do seu significado político, cujo reconhecimento também depende da luta de classes. O que está em jogo na revolução proletária são duas concepções e práticas políticas radicalmente diferentes e antagônicas.

    Introdução

    A Comuna de Paris de 1871 foi um evento histórico marcante e cuja recordação traz elementos fundamentais para se pensar a práxis política contemporânea. Não é sem razão que foi e continua sendo objeto de inúmeras publicações e debates. O presente artigo busca justamente resgatar o significado político da Comuna de Paris, ou seja, quais lições ela deixou para a prática política norteada pela ideia da emancipação humana, pela transformação social radical das relações sociais. O significado da Comuna de Paris é expresso no que ela foi. O que ela foi é o que ela significa. Marx já havia alertado para isso quando afirmou que “a grande medida social da Comuna foi sua própria existência ativa” (MARX, 2011, p. 27). Nesse sentido, há uma unidade entre ser e significado, o significado está na essência do ser. O que foi a Comuna de Paris? A Comuna de Paris foi um evento passado que anuncia o porvir. Ela foi o passado que traz em si os germes do futuro. O ser anuncia o vir-a-ser. Assim, o significado político da Comuna remete ao estudo do que ela foi e expressou.

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    Nildo Viana é Doutor em Sociologia (Universidade de Brasília) e Professor da Universidade Federal de Goiás

    nildoviana@ymail.com

    27/06/11

    Era
    Ναι
    Ναι
    No
    off
    Όχι
  • German
    11/09/12
    Den Betrieb übernehmen
    Von der Krisenbearbeitung zu gesellschaftlicher Transformation

    Bei Betriebsbesetzungen, Streiks und Versuchen, Betriebe in Selbstverwaltung zu übernehmen, handelt es sich meist um – noch – vereinzelte Reaktionen der ArbeitnehmerInnen auf drohende Betriebsschließungen.
    Sie sind mehr oder minder militante Aktionen von Lohnabhängigen, denen die Entlassung droht. Zunächst denkt man dabei an Betriebsübernahmen, durch die versucht wurde, Betriebe, die von der Schließung bedroht sind, in Selbstverwaltung zu übernehmen, und zwar durch die ursprünglichen Belegschaften selbst. Bisher gibt es in Deutschland nur einzelne Erfahrungen mit dieser Form der Arbeitsplatzsicherung. »Den Betrieb übernehmen« kann aber auch heißen, dass die Belegschaft selbst einen Betrieb mit selbstverwalteten Strukturen gründet. Im Folgenden werde ich einige Beispiele aufzeigen.

    ....

    Der ganze Artikel als PDF:

    Zuerst erschienen in:

    express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Nr. 8/2012;

    online unter:

    www.express-afp.info

    Topic
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    Ναι
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    Όχι
  • German
    11/09/12

    1. Zur Theorie des gegenwärtigen Zeitalters

    Eine Gegenwart muß immer von der Vergangenheit abgetrennt werden. Die vergangene Epoche war die Epoche von Ford und Keynes. Eine Epoche, in der die Beziehung zwischen Massenproduktion, Massenarbeit und Einkommensgarantie mit dem Anspruch auf Vollbeschäftigung gekoppelt war. Eine Epoche, in der es einen konstanten Ausgleich der inneren Instabilität der Kapitalakkumulation durch staatliche Nachfragemobilisierung gegeben hat. Diese Epoche wurde Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre in die Krise gestürzt. Einmal von unten, durch die Sozialrevolte, die damals internationale Dimensionen angenommen hatte. Und danach, 1971-73 - ausgehend von den USA und den internationalen Wirtschafts- und Finanzeliten -, wurde diese Krise von oben vertieft. Die ökonomischen Folgen sind bekannt. Wichtig scheint mir der Hinweis, daß diese Krise - wie meiner Meinung nach alle Krisen - gemacht wurde, und zwar von unten, und danach - im Gegenzug - von oben.

    Seit den siebziger Jahren konturiert sich nun allmählich das Ufer des gegenwärtigen Zeitalters. Es ist einmal geprägt durch die Internationalisierung des Krisenangriffs durch das Finanzkapital, das über neue Geld- und Bondmärkte die Emanzipation der Zinssätze von den fallenden Profitraten erzwungen hat. Und es ist zweitens charakterisiert durch eine »monetaristische Konterrevolution« (Milton Friedman), die zuerst in den Volkswirtschaften der damaligen Schwellenländer begann, dann in die Metropolen USA und England übertragen wurde und zuletzt im Implosionsprozeß des osteuropäischen Staatskapitalismus geendet hat. Die Hauptcharakteristika dieser Konterrevolution sind bekannt: Budgetrestriktionen, Sozialabbau, Kreditsperren gegen überakkumulierte Schlüsselsektoren, Liberalisierung des Außenhandels, Kapitalexporte in Niedriglohngebiete, Privatisierung des staatlichen Kapitalbudgets (Transportsektor, Telekommunikation usw.) und nicht zuletzt Zerschlagung der tarifpolitisch regulierten Arbeitsmärkte, das heißt der integrierten Arbeiterbewegung zusammen mit und nach den aufbegehrenden Fraktionen der neuen Linken.

    Die Folgen sind seit den achtziger Jahren absehbar. Die sozialstaatliche Regulation, der Klassenkompromiß, wurde von der kapitalistischen Investitionspolitik entkoppelt. Kostenfaktoren der Einzelunternehmen werden seither immer mehr auf gesamtwirtschaftliche Strukturen abgewälzt. Es kam in der Folge zur Umwandlung der Sozialstaaten. Nach dem Verlust ihrer Währungs-, Zins- und zunehmend auch ihrer Steuersouveränität erlebten wir ihre Umwandlung in konkurrierende Staubecken totalisierter Kapitalmärkte. Der Transportsektor und damit - in keynesscher Terminologie - das gesamte Kapitalbudget des Staatssektors wurde Teil der inneren Kapitalakkumulation. Das Ergebnis war weltweit die Herausbildung einer neuen industriellen Reservearmee, ein Trend zur Massenverelendung bei allgemeiner Polarisierung der Gesellschaften in Arm und Reich auf der Verteilungsebene. Wir haben also die Wiederkehr von Proletarität im Rahmen eines normalisierten, quasi vorkeynesianischen Krisen- und Akkumulationszyklus zu konstatieren. Trotz aller Phasenverschiebung handelt es sich dabei um eine Wiederkehr im Weltmaßstab. Nach der Niederlage der Sozialrevolten und dem Untergang des Realsozialismus ist dieser vorkeynesianische und zugleich neue Kapitalismus zur Tagesordnung übergegangen.

    Wie sieht dieses neue Zeitalter aus der Sicht von unten aus? Aus der Sicht von unten dominiert die endgültige Zerstörung der agrarischen Subsistenzproduktion [Produktion zum Lebensunterhalt] in der Peripherie und Semiperipherie des Kapitalismus. Die Expropriierten werden zu Millionen in latente Bestandteile der industriellen Reserverarmee umgewandelt. Nur ein Bruchteil von ihnen wird im internationalen Agrobusiness absorbiert. Der größere Teil ist zur Abwanderung in städtische Agglomerationen gezwungen worden. Wir haben seit Mitte der Siebziger und vor allem in den achtziger Jahren in diesen Agglomerationen die Entstehung neuer Schwitzbudensektoren erlebt, die höflich als informeller Sektor bezeichnet werden. Der zunehmende Stadt-Land-Gegensatz in der Pauperisierung [Verarmung] wurde teilweise gegenläufig aufgehoben durch zirkulierende Migrationsbewegungen. Sie stellten gleichzeitig eine Verbindung zum schrumpfenden formellen Sektor der Krisenbranchen her. Dieser allgemeine Mobilisierungsprozeß des neuen Proletariats wurde in den Metropolen ergänzt durch die Einschränkung der Sozialbudgets zur Absicherung proletarischer Existenzrisiken (Alter, Krankheit, Invalidität und vor allem Arbeitslosigkeit). Die mehr und mehr dem Hire-and-Fire-Prinzip ausgelieferte aktive Arbeiterarmee wird parzelliert, segmentiert, verkleinert und immer häufiger flexibel ausgewechselt. Hinzu kommen besondere Ausgrenzungsformen, beispielsweise gegenüber Ausländern, denen in den Metropolen zunehmend eine Sündenbockfunktion zugewiesen wird. Damit soll von den eigenen Ängsten und Erfahrungen im permanenten Entsolidarisierungsprozeß abgelenkt werden.

    Die Quantitäten dieser neuen, angebotsorientierten Arbeitsmarktstrukturen sind bekannt. 150 Millionen Menschen befinden sich heute auf Wanderschaft innerhalb und außerhalb ihrer Länder und Kontinente. 120 Millionen sind offiziell arbeitslos, davon 38 Millionen in den OECD-Ländern. 500 Millionen - etwa 100 Millionen Familien - vegetieren als enteignete kleinstbäuerliche und Squatterfamilien im neuen pauperistischen Sektor als Bondlabour [Leiharbeit], als selbständige Arbeiter, als Saisonarbeiter und Jobber. In den Metropolen erleben wir den Übergang von Welfare zu Workfare [Welfare: Wohlfahrt]. Gleichzeitig werden bis zu 30 Prozent der Arbeitsverhältnisse - in einigen Ländern sind es noch mehr - entgarantiert. Es entstehen Niedriglohnsektoren. Prekäre Arbeitsverhältnisse setzen sich durch. Weltweit sehen sich die Proletarierinnen und Proletarier mit einer neuen Qualität des Verwertungsanspruchs konfrontiert, mit - überspitzt formuliert - einer Vollbeschäftigungsstrategie auf pauperistischer Basis. Denn weltweit geht nicht die Arbeit aus, sondern die Einkommen sinken. In den Beziehungen zwischen deregulierten Arbeitsmärkten und Mehrwertketten kann deshalb nicht mehr zwischen Ausbeutung für normale und parallele Kapitalakkumulation unterschieden werden, wie dies Rosa Luxemburg noch für die Verhältnisse zu Beginn des Jahrhunderts wahrnahm. In gewisser Weise wird heute die Eroberung der nichtkapitalistischen Sphären und ihre Umwandlung in Bestandteile des Akkumulations- und Krisenzyklus abgeschlossen, und zwar als Massenerfahrung.

    Mir scheint es wichtig, diese Fakten, die auf den ersten Blick sehr banal wirken, doch einmal zu resümieren, weil ich glaube, daß wir die internationalen Dimensionen der heutigen Gesellschaftsprozesse ins Auge fassen müssen.

    Wie sieht das neue Zeitalter aus der Sicht von oben aus? Es ist charakterisiert durch eine wiederhergestellte internationale Despotie des Kasino-Finanzkapitals. Die Einkünfte aus Geldvermögen überflügeln weltweit die produktiven Unternehmergewinne. Die Rentierschichten haben sich in den letzten zwei Jahren weltweit verdoppelt bis verdreifacht. Diese Rentierschichten mobilisieren die Bodenmärkte und die entnationalisierten Transportsphären - vor allem Transport- und Geldmärkte sowie Dienstleistungen. Sie plündern als Rentiers der Staatsverschuldung die Staatshaushalte. Spekulation, antisozialer Egoismus und allgemeine Bereicherungssucht werden von ihnen als Kernelemente einer neuen kulturellen Hegemonie beansprucht.

    Das zweite wesentliche Charakteristikum sehe ich im Prozeß der Unternehmensrationalisierung: Vom Postfordismus und Toyotismus zum Akkumulationstyp à la Hollywood. Unter dem Hochzinsdiktat und der Liquiditätspräferenz »lieber sparen statt investieren« wurden vielfältige Initiativen zur Wiederherstellung des produktiven Unternehmergewinns gestartet. Zu Beginn der achtziger Jahre wurde eine Konzeption der flexiblen Automatisierung versucht. Das computerintegrierte Manufacturing wurde proklamiert. Es scheiterte an der Rigidität der Arbeiter. Mitte der achtziger Jahre wurde weltweit das »3. Italien« mit seinen innovativen Klein- und Mittelunternehmen und den angeschlossenen Subunternehmen und selbständigen Arbeiterinnen und Arbeitern entdeckt. »Small is beautiful«, tönte es durch die Lande, der Postfordismus assoziierte sich mit grünalternativen Denkstrukturen. Währenddessen akkumulierte ein neues System der Benettonschen Netzwerkunternehmen. Es kam zu einer Zentralisation des Kapitals ohne eine Konzentration der Produktionsstrukturen.

    In der 2. Hälfte der achtziger Jahre wandten sich dagegen die internationalen Konzernkonglomerate vor allem der Autoindustrie dem sogenannten Toyotismus zu, einem japanischen Produktionsmodell, das nach der blutigen Zerschlagung der japanischen Arbeiterklasse Mitte der sechziger Jahre dort entwickelt worden war. Es wurde nur partiell übernommen. Die Einfriedungsstrukturen, beispielsweise die »company unions« und die »company worlds« [Betriebsgewerkschaften und Betriebswelten], die Beherrschung ganzer Regionen durch die Familienkonzerne (Zaibatsu) waren natürlich nicht transferierbar. Man paßte sich der Produktionsstruktur an. »Lean Production« wurde zum Schlagwort. Die Verbindung von Arbeitsprozeß und Produktkontrolle, Just-in-time (Kanban), die Ausbildung von Zulieferketten nach einem Supermarktmodell, der kontinuierlich verbesserte Produktionsprozeß, das Teamwork, die Qualitätszirkel: Diese Schlagworte waren in der 2. Hälfte der achtziger Jahre noch neu - heute haben sie sich weitgehend durchgesetzt. Das Produktionsmodell selbst hat sich aber nicht durchgesetzt, denn seine begrenzte Übernahme als »management by stress« brachte keinen Druchbruch der Profitabilität. Die Transplants [z.B in den USA aufgebaute Fabriken japanischer Autokonzerne] und die Großkonzerne, die das japanische Modell übernahmen, wurden mehr und mehr zum »concession bargaining« [gewerkschaftliches Feilschen um Zugeständnisse] gezwungen, das heißt, sie mußten die fehlende Einfriedung und Atomisierung der Arbeiterklasse durch die Drohung und Realisierung von Produktions- und Abteilungsauslagerungen im Falle von Restriktionen von seiten der Arbeiterklasse ersetzen.

    Den letzten Schritt und das neueste Modell erleben wir seit Anfang der 90er Jahre von den USA aus: Das Konzept des »industrial engineering« [Analyse und Umgestaltung ganzer Unternehmen oder Teilbereiche davon]. Ein neuer Mischtyp von Benetton und Toyota wird versucht. Es entstehen Netzwerkkonglomerate, in denen sich die Beziehungen zwischen Kern- und Randbelegschaften zunehmend verwischen und traditionelle mittlere Managementhierarchien zunehmend abgebaut werden. An die Spitze dieser Konglomerate treten Manager mit despotischer Herrschaftsfunktion. Sie setzen geschäftsführende Einheiten, Generalisten ein, die Projekte in Gang bringen. Nur noch für jeweilige Aufträge werden befristet Entwicklungsspezialisten, Konstrukteure, Programmierer, Fertigungsarbeiter usw. gemietet. Selbst so traditionsreiche Konzerne wie beispielsweise Siemens haben sich in der jüngsten Zeit in solche geschäftsführenden Einheiten aufgesplittert. Das ist die Hollywoodmethode: Man produziert, wie man einen Film plant und erstellt.

    Diese Produktionsweise, und das halte ich für entscheidend, nähert sich der Mobilität der Geldvermögen maximal an: Vom Supermarkt Toyotas und von den Netzwerkunternehmen Benettons zur Hollywoodpremiere unmittelbar neben dem Spielsaal des internationalen Finanzkapitals. Auf diese Weise werden mikroökonomische Kostenfaktoren optimal auf die Gesamtgesellschaft übertragen, die gleichzeitig immer mehr Instrumente zur wirtschaftspolitischen Gesamtsteuerung verliert. Die Profitraten der Einzelunternehmen steigen wieder. Aber die ausgelagerten Kostenfaktoren drohen im Prozeß des Ausgleichs der Durchschnittsprofitraten und der Mehrwertrealisierung zurückzukehren. Deshalb forcierter Sozialabbau, deshalb mehr Armut, deshalb aber auch Anstieg der behördlichen Armuttransfers bei immer geringer werdenden Leistungen und so eine Spirale der Deregulierung, die nach unten geht. Das ist die Vision des gegenwärtigen Zeitalters aus der Sicht von oben.

    Zweifellos wird diese Optik in den jeweiligen territorialen Konstellationen recht unterschiedlich durchgesetzt. Nehmen wir den Fall Osteuropa. Die postsozialistischen Eliten verzichteten 1989-90 auf gemischtwirtschaftliche Interventionsschritte beim Übergang vom Staatskapitalismus zur Marktökonomie. Interne Deregulierung und schlagartige Konfrontation mit der internationalen Konkurrenz bewirkten die rapide Zerstörung der rohen staatskapitalistischen Variante der Massenproduktion, ohne daß bisher Zyklen von Neuinvestitionen - von einigen Ländern abgesehen - nachfolgten. Von der Depression geht es weiter zur Deindustrialisierung. In Rußland leben inzwischen offiziell zwei Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.

    Im krassen Gegensatz dazu erleben wir im Indopazifik einen neuen Boom auf der Grundlage eines blutigen, informatisierten Taylorismus und Toyotismus. Benachbart sind in China neue Entwicklungszentren mit einem Akkumulationsschub in der massenhafte Pauperisierung entstanden.

    In den Metropolen stagniert die wirtschaftliche Entwicklung. In den USA ist ein sehr merkwürdiges Niedriglohnwunder bei riesiger Massenverelendung zu beobachten. England steckt in einer Depression: Dort steht trotz des Fiaskos des Thatcherismus - Sozialabbau und Steuerentlastung haben zu einer größeren Staatsverschuldung statt zur Verschlankung des Staatsapparats geführt, und das Land wird mitnichten mit neuen Investitionszyklen belohnt - kein Kurswechsel ins Haus. In Schweden hingegen hat dieser Kurswechsel stattgefunden. In West- und Mitteleuropa gibt es Regionen mit unternormalem Wachstum. Auf sie werde ich im zweiten Teil zu sprechen kommen.

    Insgesamt ist also eine zunehmende geografische Differenzierung bei uniformer globaler Strategie erkennbar. Die Zukunft wird zeigen, wie weit es den internationalen Wirtschafts- und Finanzeliten gelingt, die Kompensation der Krisenspirale durch innerimperialistische Blockbildungen und Konfrontationen aufzuhalten.

    2. Metropolitane Varianten des neuen Akkumulations- und Deregulierungsmodells

    In Italien folgte seit Beginn der Niederschlagung der Arbeiterkämpfe in den achtziger Jahren ein wirtschaftspolitisches Regime, das in vielem den Konzepten der Reaganomics und Thatcheristen verwandt war, allerdings unter »sozialistischen« Vorzeichen. Dabei entstand eine Polarisierung der Gesellschaft in zwei Machtblöcke: Big Business, die großen Gewerkschaften, die politischen Machtstrukturen und die Staatsunternehmen auf der einen Seite, neoliberale Unternehmensstrukturen und Strukturen prekärer und selbständiger Arbeitsverhältnisse, die aus dem Regulationssystem zunehmend ausgegrenzt wurden, auf der anderen Seite. Die nach wie vor dominante Variante A, die eine durchaus verlangsamte Transformation kennzeichnete, schien zu zerbrechen, als seit 1992 Übergangsregimes an die Kernbestände des sozialen Nachkriegskompromisses - Scala Mobile, Cassa Integrazione [automat. Teuerungsausgleich über eine gleitende Lohnskala und umfassende Lohnausgleichskasse] usw. - herangingen und die Eliten als korrupte Machtsymbiose decouvriert wurden. Hier begann vor wenigen Monaten die Ära Berlusconi. Er band die politisch-ökonomische Variante B - prekäre, selbständige Arbeiter und Kleinunternehmer der Lega Nord - in den politischen Machtblock ein und versuchte, neue autoritäre mediale Voraussetzungen für die erst noch bevorstehende, entscheidende Deregulierungsoffensive (Deregulierung des Staatssektors, Zerstörung der Sozialrenten, völlige Liberalisierung des Arbeitsmarktes, Budgetrestriktionen) zu schaffen. Bevor er damit durch war, zwang ihn das Finanzkapital vorfristig zu diesem Angriff. Das war, wie die neu aufgeflammten Massenkämpfe zeigen, zu früh. Die Wiederherstellung des sozialen Friedens als Gradmesser jeder effizienten Aufspaltung des Widerstands und als Vorbedingung der endgültigen Durchsetzung des Deregulierungsmodells wird jetzt nur noch gelingen, wenn der ökonomisch verschlankte Staat ihn politisch-diktatorisch erzwingt. Andernfalls muß die Sozialrevolte in einer neuen Reregulierung aufgefangen werden.

    Dagegen Deutschland. Die Umstrukturierung erfolgte eher zögerlich. Ein Durchbruch zu schlanker Produktion, Produktionsauslagerung und schlankem Staat setzte erst ab 1990/91 ein, wobei sich der Anschluß der DDR im Zug schlagartiger monetärer Substanzvernichtung als entscheidender Hebel erwies. Seither ist der sozialstaatliche Nachkriegskompromiß nicht nur konzeptionell, sondern auch praktisch-politisch erfahrbar zu Ende. In den letzten Jahren begann nicht nur eine breite Privatisierungswelle der öffentlichen Unternehmen im Transportsektor, gleichzeitig wurden auch die Tarifautonomie offen zur Disposition gestellt und die Sozialversicherung als Instrumentarium zur Abfederung der Risiken eigentumslos lohnabhängiger Existenzweisen in vielen kleinen Einzelschritten ausgehöhlt (vor allem die Bereiche Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung, noch nicht das Rentensystem). Das Recht auf Sozialhilfe ohne Gegenleistung ist beseitigt. In Riesenschritten beginnt auch in der BRD der Übergang von Welfare zu Workfare. Damit ging 1992/93 die erste Ausgrenzungsoperation als Angriff auf das Existenzrecht einher: Zwangsinternierung von Flüchtlingen und radikalisierte Abschiebepraxis wurden durchgesetzt.

    Nach der Bundestagswahl vom 16. Oktober haben die Financiers und Unternehmenslobbyisten ganz große Keulen geschwungen. Die Drohungen mit Vermögens- und Kapitalflucht gehen einher mit Forderungen zu einem Sozialabbau, wie sie seit Beginn der dreißiger Jahre nicht mehr gehört wurden. Falls sie durchgesetzt werden, was durchaus noch offen ist, würde die bundesrepublikanische Gesellschaft in einen Strukturbruch hineingetrieben, wie wir ihn bisher nur aus England, den USA und teilweise Frankreich kennen.

    Der Fall Schweiz. Sie scheint mir, aus dem Blickwinkel des Nordens, noch eindeutiger als Nachzügler. Auch die Schweiz hat in den achtziger Jahren Produktivitätssprünge durch Auslagerungen, Rationalisierungswellen und Verschlankung des sozialen Status quo hinter sich gebracht. Der Schwerpunkt liegt inzwischen offensichtlich ebenfalls auf angebotsorientierten Deregulierungen. In einigen Agglomerationen erreicht die Arbeitslosigkeit das Niveau der dreißiger Jahre. Das alternative Grundmuster zur sozialstaatlichen Integration heißt jetzt offensichtlich auch in der Schweiz Ab- und Ausgrenzung. Die ersten sozialen Stigmatisierungen der Ausländerinnen und Ausländer stehen bevor, wahrscheinlich der erste Akt eines breiteren Angriffs auf den sozialstaatlichen Status quo, der die Lohnabhängigen verängstigt. Aber gerade auch im Vergleich zur BRD verläuft der Umbau offensichtlich weniger hart und schnell. Dies liegt, wie Res Strehle mehrfach ausgeführt hat, vor allem an der weltwirtschaftlichen Sondersituation. Die Schweiz ist internationaler Finanzplatz, Zentrum vieler transnational operierender Konzerne und ein Standort für Qualitätsarbeit. Wenn, dann wird sie in die neue soziale Unfriedlichkeit erst nach Italien, Frankreich und wahrscheinlich auch Deutschland geraten. Die Schweiz ist eine Art letzter Dominostein, an dem sich ablesen lassen wird, inwieweit es den Utopisten des neoliberalen Irrsinns tatsächlich gelingt, den Globus nach ihren Visionen umzugestalten. Vielleicht besteht also gerade hier noch die Möglichkeit, die Erfahrungen aus den schon weiter transformierten Nachbarländern in die Widerstandsperspektive dieses Landes einzubeziehen. Aber auch für die Linken der Schweiz dürfte die Zeit drängen. Die weitere Deregulierung der Finanzmärkte wird den globalen Standort Schweiz bald um seine Privilegien bringen, und dann steht recht schnell eine Massenarbeitslosigkeit der Bankangestellten ins Haus.

    3. Neoliberalismus und politische Macht

    Im Gegensatz zu den Wirtschafts- und Finanzeliten sind die politischen Führungsschichten dort, wo sie wirkliche Macht ausüben, nur national und nur in marginalen Ansätzen supranational organisiert. Die gesamtgesellschaftlichen Regulierungs- und Umverteilungsfunktionen sind oder waren im Gegensatz zur Kapitalakkumulation an den Staat gebunden. Sie aber kommen den politischen Eliten zunehmend abhanden. Ihre Macht verfällt, je mehr sie zu subalternen Verwaltern von Staubecken für die Geld- und Kapitalströme degenerieren. Oberflächlich kommt dieser Prozeß in den vielfältigen Korruptionsaffären zum Ausdruck, mit denen sich die politischen Herrschaftsgrenzträger inzwischen herumschlagen müssen.

    Was sich aber wirklich hinter »tangentopoli« usw. verbirgt, ist weitaus wichtiger. Unter dem Diktat von flexibilisierten Währungen, Zinsregimes und allgemeiner Bereicherungssucht sind politische Ideologien zusammengebrochen, deren Bandbreite von der Rechten bis tief in die sozialistischen und grünen Bewegungen hineinreicht. Diese Anpassung und Unterwerfung haben nicht nur den späten europäischen Arbeiterreformismus, sondern auch große Teile der linken Intelligenz, beispielsweise in Lateinamerika, betroffen und von innen heraus zerstört. In vielen Fällen sind »sidepayments« der neoliberalen Weltwirtschaftsinstitutionen auf den Mythos der Guerilla gefolgt. In den Metropolen entspricht diesem Prozeß am ehesten die Involution [Einwicklung] der grünen Bewegungen, die nun vor den internationalen Sachzwängen der Deregulierung genauso kapitulieren wie vor ihnen die Sozialdemokratie und die mit ihr verbündete Gewerkschaftsbewegung.

    Besonders grausam ist es den osteuropäischen Oppositionsbewegungen ergangen. Seit Ende der sechziger Jahre haben wir beispielsweise viele Hoffnungen auf die Kader der späteren Solidarnosc gesetzt - Kuron, Geremeck, Modzelewski. Wir haben von der Arbeiteropposition als Massenbewegung gegen den versteinerten Tonnenindustrialismus geträumt. Wir haben gesehen, wie diese Perspektive im Ausnahmezustand zu isolierten antikommunistischen Kadern transformiert wurde, wie sich diese überlebenden Kader 1989/90 umstandslos und ohne jedes Nachdenken dem »dernier cri« des Neoliberalismus und dessen Beratern verschrieben haben. Das Fiasko der thatcheristischen Transformation vom Staatskapitalismus zur Utopie selbstregulierter Märkte ist riesig. Solidarnosc ist als populistische Randszene der neokonservativen Rechten geendet. Karol Modzelewski hat inzwischen Bilanz gezogen (»Le monde diplomatique«, November 1994). Er gehört zusammen mit der alten intellektuellen Riege von Solidarnosc heute zu denen, die die präsidialdiktatorische Fortsetzung einer Wirtschaftspolitik bekämpfen, die die Hälfte der Bevölkerung pauperisiert. Die Niederlagen meiner Generation der »new left« - auch diese Solidarnosc-Kader sind in unserem Alter - haben viele Facetten.

    All diese Beispiele, vor allem aber Italien und Polen zeigen, daß der deregulierte Kapitalismus im Kampf um das rettende Ufer nicht einfach nur auf eine immer größere ökonomische Depressionsspirale zutreibt, sondern inzwischen auch politisch extrem destruktiv wird. Der Massenkonsens schwindet. Die Fassaden der Telekratie bröckeln, sobald die »common people« am eigenen Leib erfahren, wie hinterhältig sie um ihre existentiellen Sicherheiten gebracht werden. Die Revolution der Erwartungen ist durch diese neue kulturelle Hegemonie des »enrichissez-vous« aber keineswegs gedämpft worden. Die politische Destabilisierung der Verhältnisse ist die notwendige Konsequenz des Neoliberalismus. Das Band zwischen sozialstaatlichem Status quo und repräsentativ-parlamentarischer Massendemokratie beginnt tatsächlich zu reißen. Autoritäre politische Lösungen werden zu einer zwingenden Option der Wirtschafts- und Finanzeliten, ihrer Expertokratie und ihrer wachsenden Klientel von Spekulanten, Unternehmensrationalisierern und Couponschneidern. Entwicklungen zu mehr als nur formierten Demokratien müssen wir gerade auch dann ins Auge fassen, wenn wir davon ausgehen, daß die ethnisch nationalistischen Anbiederungen einiger ost- und südosteuropäischer postsozialistischer Eliten an die internationalen Finanzmärkte in ihrer Resonanz wohl eher marginal geblieben sind. Es wäre jedoch falsch, vorschnell eine Wiederholung des Umschlags von der Deflationspolitik zur faschistischen Arbeitsschlacht mit rüstungsparasitärer Nachfragemobilisierung anzunehmen, wie sie in Mittel- und Südeuropa die frühen dreißiger Jahre geprägt hat. Ich glaube, es kommt etwas ganz anderes als das, was wir unter dem Faschismus analysiert haben. Das macht die Faschismusanalyse aber keineswegs überflüssig. Im Gegenteil: Die Herausarbeitung der Unterschiede wird uns helfen, politische Alternativen zu finden.

    4. Neue Proletarität

    Auffächerung in der Homogenisierung oder Homogenisierung in der Auffächerung?

    In globaler Perspektive öffnen sich die Klassenverhältnisse. Wenn die analytischen Voraussetzungen zutreffen, dann lassen sich für den proletarisierten und pauperisierten Teil des neuen Panoramas von Klassengesellschaft unzweideutige Homogenisierungsprozesse ausmachen. Ich spreche erstens von einer strukturellen Homogenisierung. Bedingt durch eine weltweite Freisetzung von relativer Übervölkerung [nicht beschäftigte Teile des Proletariats, vgl. Karl Marx, Kapital, MEW 23, S. 657] entstehen strukturell gleiche Wechselbeziehungen von industrieller Reservearmee, aktiver Arbeiter- und Arbeiterinnenarmee und Unterbeschäftigten. Ich spreche zweitens von einer ökonomischen Homogenisierung. Tendenziell werden überall gleichartige Neuzusammensetzungsstrukturen sichtbar: moderne Gruppenarbeiter, prekäre Schwitzbudenproletarier und Proletarierinnen, self-employed des informellen Sektors. Sie alle werden arbeitsteilig in die reorganisierten Ausbeutungsketten hineingezwungen. Und drittens behaupte ich, daß wir eine Tendenz zur geografischen Homogenisierung zu beobachten haben. Dem transnationalisierten Kapital stehen auf allen Stufen der Mehrwertkette die erforderlichen Arbeitskräftepotentiale tendenziell weltweit, standortunabhängig zur Verfügung. Swissair kann eben Computerzentralen inzwischen nach Indien auslagern.

    Das alles kann natürlich, je nach Entwicklungsstadien, mit ungeheuer verschärften Einkommensdifferenzierungen unterschiedlichsten Ausmaßes von Prekarisierung, Ausgrenzung, Ghettoisierung und Überlebenschancen einhergehen. Aber das alles ist zunächst einmal nur von quantitativer Bedeutung.

    Ich gebe zu, daß diese analytische Dimension völlig anders wahrzunehmen ist, wenn wir einen lokalen Blickwinkel einnehmen, wenn wir den jeweiligen Bezugspunkt an der bestimmten, definierten Ausbeutungskette als Ausgangspunkt formulieren und vor allem natürlich im aktuellen politischen Tageskampf. Die Zerklüftung des neuen Proletariats schreitet voran in eine generationen- und geschlechtshierarchische Neuzusammensetzung. Die wichtigsten Faktoren der Auffächerung - Kinderarbeit und Frauenteilzeitarbeit - werden als Durchbruchspunkte der prekären Arbeitsverhältnisse überhaupt sichtbar. Frauen sind am stärksten betroffen. Sie haben oft nur als prekäre Arbeiterinnen die Möglichkeit, unbezahlte Reproduktionsarbeit zu finanzieren. Zusätzlich nehmen völlig unsichtbare, weil nicht mehr oder nicht entlohnte Arbeitsformen zu. Ein Beispiel ist die Katastrophe der Frauen in der Ex-DDR, die in die unbezahlte Hausarbeit zurückgetrieben werden.

    Als weiteren Fächer der Ausdifferenzierung erleben wir eine Ausweitung unfreier Arbeitsverhältnisse: »Forced commerce« [erzwungener Handel], Arbeitsleistung für Mieten, Arbeitsleistung für Pachtschulden, eine zunehmende »decommodification« der Arbeitsmärkte, obwohl sie voll in den Wertschöpfungsprozeß mit unbezahlten Arbeitsanteilen integriert bleiben. Wir erleben eine Auffächerung in verdeckte Lohnbeziehungen der »Subcontractors« [Zulieferer], Werkvertragsarbeiterinnen und -arbeiter, der selbständigen ArbeiterInnen. Diese Differenzierungen werden konzernintern reproduziert. Und wir erleben - vielleicht die dramatischste Form der Auffächerung - Ausgrenzungen bis zur völligen Beseitigung des Existenzrechts bei den Flüchtlingen.

    Diese beiden Momente - Homogenisierung und Differenzierung - müssen wir gegeneinander stellen. Unabhängig von der Frage, wie in der Beziehung Homogenisierung und Differenzierung tendenziell überwiegende Momente zu finden sind, gibt es aber eine Möglichkeit der Synopse beider Beziehungen, und das selbst in solchen metropolitanen Reservaten, in denen sich erstens Krisengewinnler und Aufsteiger, zweitens flexibilisierte und abstiegsbedrohte Arbeiterinnen und Arbeiter sowie drittens prekarisierte und ausgegrenzte Drittel in etwa die Waage halten. Homogenisierung heißt auch »making«, Solidarisierung, gegenseitige Hilfe, Assoziation. Differenzierung heißt »unmaking«, Entsolidarisierung, Entassoziation, Individualisierung. Ich glaube, es sind beides untrennbare Teile des heutigen Sozialprozesses in der globalen Krise.

    Das »unmaking« geschieht nicht von selbst, sondern durch systematische Deformation der Fähigkeiten zur Wahrnehmung der realen Grundlagen postfordistischer Ellbogenideologie: Telekratie als politische Artikulation verdoppelter und zugleich deformierter Wirklichkeitswahrnehmung. Die Auffächerung der neuen Klassenverhältnisse wird letztlich erst durch die kulturelle Hegemonie des neoliberalen Regimes befestigt, das sich gleichzeitig mit den individualisierten und flexibilisierten Arbeitsverhältnissen auf die allgemeine Flucht aus der Arbeit einstellt.

    Aber auch das »making« von unten kommt keineswegs automatisch. Es gibt keinen Automatismus, der von der Wahrnehmung der realen Lage zu kollektiven Verhaltensweisen - Solidarisierung usw. - führt. Wir sollten die Debatte über Homogenisierung und Auffächerung mit einem Verweis auf den großen britischen Historiker E.P.Thompson versehen, der in seinem »Making of the english working class« dazu eine ganze Menge gesagt hat. Er wies nach, daß das »making«, die Homogenisierung eines außerordentlich differenzierten Proletariats, zwischen 1780 und 1830 ein breit angelegter Lernprozeß war, der im übrigen die Homogenisierungshoffnungen der nachfolgenden marxistischen Utopie, das große industrielle Fabrikarbeiterproletariat als Kern des Umsturzes, sozusagen ex ante (und aus der Sicht des Exkommunisten Thompson ex post) widerlegt hat.

    Auch wir selbst sind Teil dieser Prozesse und müssen zuerst einmal davon ausgehen, daß wir uns zwar in der klassenanalytischen Annäherung nicht grundsätzlich irren sollten, wenn wir von sozialempirischen Evidenzen und Massenerfahrungen - Selbstuntersuchung auf breiter Ebene - ausgehen. Der reale Prozeß der kollektiven Neuzusammensetzung kann aber trotzdem ganz anders verlaufen, als wir ihn theoretisch vorwegnehmen. Zwischen gesellschaftspolitischer Analyse - militanter Untersuchung - und emanzipatorischem Handeln gibt es immer nur Annäherungen, die laufend der Korrektur durch die Massenerfahrung und die in sie eingebundene politische Praxis bedürfen. Wir sollten die Dialektik von Homogenisierung und Dissoziation des neuen Proletariats in dieser Sichtweise angehen und nicht voreilig beantworten.

    5. Die Krise der Linken

    Das neue Zeitalter zeichnet sich dadurch aus, daß es aus einer fundamentalen Krise ein neues Akkumulations- und Regulationssystem hervorbringt, dessen endgültige Perspektive freilich noch keineswegs auszumachen ist. Vor allem ist es aber auch ein Zeitalter der Krise der Linken. Mit »der Linken« meine ich jene gesellschaftlichen Kräfte, die sozialreformerische Prozesse allein ablehnen und nach einem völlig andersgearteten Modell gesellschaftlicher und politischer Egalität streben. Je größer und je tiefer diese Krise - unsere Krise - wurde, desto stärker war die Tendenz, die Beziehung zur eigenen Geschichte - unserer Geschichte seit den sechziger Jahren - zu verlieren. Ich glaube, daß wir von einem Verlust des kollektiven Gedächtnisses bedroht sind. Geschichtslosigkeit ist aber mehr als bloße Resignation oder Unachtsamkeit. Es ist vor allem auch ein Akt des Verdrängens. Ich will nur ein paar Stichworte nennen, über die in vielen Zusammenhängen ein stillschweigender Konsens des Schweigens besteht:

    Viele unserer politischen Zusammenhänge waren im Innern autoritär strukturiert. Sie hatten sehr starke Tendenzen zur Ausgrenzung oft besonders naher Nachbarströmungen. Und das hat intern entsolidarisiert. Das bezieht sich keineswegs nur auf die neoleninistischen Gruppierungen.

    Wir haben ziemlich intensiv versucht, die materialistische Kritik unserer eigenen Geschichte zu vermeiden. Wir wollen uns damit nicht konfrontieren. Wir wollen die vergangenen Optionen und Niederlagen nicht dahingehend untersuchen, inwieweit diese Niederlagen notwendig waren, nicht vermieden werden konnten und inwieweit sie vermeidbar waren.

    Es gab und gibt auch eine große Unfähigkeit zu Kurskorrekturen. Ich möchte hier nur das Beispiel des bewaffneten Kampfs andeuten. Das Syndrom der Pentiti [pentiti: Reumütige, unter Kronzeugenregelungen aussagende Rotbrigadisten] ist auch eine Rache am Prinzip, daß Grenzüberschreitungen in der Militanz nur in eine einseitige Richtung vorzunehmen waren. Wenn Illegalität immer zur Ablösung vom Massenkonsens und zu einer elitären Selbstkonstitution führt, und wenn sie notwendigerweise immer dazu führen würde, dann müßten wir sie vielleicht doch prinzipiell verwerfen. Auch hier, glaube ich, muß viel aufgearbeitet und nachgedacht werden, um die zweifellos vorhandenen positiven Erfahrungen der Illegalität für die Zukunft zu bewahren.

    Die eigene soziale und materielle Selbstwahrnehmung war und ist in unseren politischen Zusammenhängen oft ausgegrenzt. Dabei sollte sie nach meiner These Kern unseres politischen Engagements sein. Wir sollten gerade als Linke von unseren eigenen materiellen Lebensbedingungen ausgehen und nicht als Prekarisierte auf politischen Ersatzebenen agieren. Gerade im Prozeß und in der Erfahrung der sozialen Marginalisierung gibt es sehr starke Individualisierungserfahrungen und Rückzugstendenzen. Das ist eine an sich paradoxe Verhaltensweise, die aber aus dieser Ausgrenzung der eigenen materiellen Konstitution herrührt und gegenwärtig viele Restprojekte gefährdet.

    Ich meine aber auch, daß wir in vielen Fällen unfähig gewesen sind, Teilsiege wahrzunehmen und erkämpfte Positionen auszubauen. Ich erinnere an die Frauenbewegung, die wohl von allen Sozialbewegungen am weitesten egalisierend in die Gesellschaft gewirkt hat und die - so meine ich - auch uns linke Männer ein Stück weit verändert hat. Es sollte eigentlich möglich sein, jetzt über einen neuen politischen Schulterschluß zu reden und über Bedingungen eines gemeinsamen Widerstands gegen die Deregulierung und gegen die mit ihr einhergehende »Wiederentdeckung« der unbezahlten Hausarbeit nachzudenken.

    Das sind unsystematische Beispiele. Ich möchte zeigen, daß der Kampf gegen die Krise als ein Weg zu solidarischem und egalitärem Handeln immer innere Solidarität voraussetzt. Das ist ein unverzichtbarer Teil des kollektiven Gedächtnisses, denn ohne innere Solidarität kann nicht kollektiv-historisch agiert werden. Solange wir hier stagnieren, solange wir uns gegenseitig ausgrenzen und nicht aufeinander zugehen, werden wir nicht in der Lage sein, neu in das Wechselspiel von proletarischer Homogenisierung und Dissoziierung einzugreifen und wieder geschichtsmächtig zu werden.

    6. Perspektiven einer neuen Klassenorientierung

    Genau ein solches Eingreifen halte ich für nötig und möglich. Nur mit Klassenorientierung bleibt die Option auf eine sozialistische Alternative als einer offenen Lebens- und Gesellschaftsformation, die sich durch gesellschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln und durch die ausschließliche Produktion und Reproduktion zur Befriedigung basisdemokratisch ermittelter gesellschaftlicher Bedürfnisse auszeichnet, belanglose Utopie. Wie soll das geschehen?

    Strategisch. Ich schlage vor, die altbekannte Suche nach besonders avantgardistischen Fraktionen des neuen Klassensubjekts aufzugeben und die neuen Möglichkeiten aus der Konstitution des neuen Proletariats in ihrer ganzen Vielfalt zum Ausgangspunkt unseres Nachdenkens und Handelns zu machen. Wir brauchen also eine offene Struktur des Klassenantagonismus von unten, für alle, die ihre Arbeits- und Lebenskraft hergeben müssen, um leben zu können, unabhängig davon, ob sie entlohnt, auf Werkvertragsbasis honoriert, für Arbeitsmärkte zur Verfügung gehalten, zu nicht entlohnter Arbeit gezwungen oder patriarchalisch im informellen Sektor geknechtet werden. Das, meine ich, ist an jedem Widerstandspunkt des Globus möglich, da bei allen quantitativen Unterschieden grundsätzlich gleichartige strukturelle ökonomische Bedingungen vorliegen und zu jedem anderen Widerstandspunkt vermittelt werden können. Die Homogenisierung ist also strukturell bedingt, zugleich aber auch eine Vorwegnahme. Genau hier liegt die Aufgabe der Linken.

    Es geht also nicht darum, ein neues Primat des Agrarsozialismus zu postulieren; es geht nicht darum, ausschließlich eine neue Kampagne der Prekären und Jobber in Gang zu bringen; es geht nicht darum, das sozialistische Heil allein von den aus der Arbeitslosigkeit entlassenen selbständigen Arbeiterinnen und Arbeitern zu erwarten, auch nicht von den Gruppenarbeitern, sondern wir brauchen eine offene Synthese der jeweils unterschiedlich gewichteten Kommunikationsweisen und Kampfformen am Ort. Dafür sind, immer noch strategisch gedacht, Strukturen nötig. Ich votiere für eine internationale Vernetzung der lokalen Widerstandspunkte im Sinne einer internationalen Assoziation durch erste politische Initiativen: Gegeninformation, Analyse, konkrete Hilfeaktionen.

    Ich plädiere zweitens dafür, die lokalen Konfrontationspunkte mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber dem Ziel der Synthese aller möglichen Teilbewegungen zur Durchsetzung einer moralischen Ökonomie des Existenzwerts zu assoziieren: Recht auf Boden und Wohnung, politischer Lohn, Recht auf soziale Reproduktion. Diese neue moralische Ökonomie wäre zu realisieren durch die soziale Aneignung und kommunale Selbstverwaltung von Boden und Wohnen. Sie wäre im Kampf in und gegen die lokalen Arbeitsmärkte zu realisieren durch einen neuen »social-movement unionism« [auf sozialen Bewegungen basierende Gewerkschaftspolitik] gegen flexibilisierte Arbeitsverhältnisse, durch den Kampf für einen politischen Lohn in den Basiskomitees der Netzwerkunternehmen. Das Recht auf soziale Reproduktion wäre in kommunaler Selbstorganisation anzugehen, als Rückeroberung selbstbestimmter sozialer Reproduktionsgarantien. Die sozialstaatlichen Transferruinen sollten bei gleichzeitiger kommunaler Aneignung der ungeheuer angehäuften Privatvermögen reorganisiert und in Selbstverwaltung übernommen werden.

    Ich halte es also strategisch für möglich, einen solchen Zusammenschluß in politisch-wirtschaftlich homogenisierten Assoziationen von Gegenmacht in Gang zu bringen, und zwar im Rahmen einer internationalen Vernetzung.

    Die taktischen Aspekte, wie diese Perspektive anzugehen wäre, sehe ich einmal darin, daß auf dieser strategischen Basis in die bevorstehenden oder schon stattfindenden Kämpfe gegen den sozialen Generalangriff einzugreifen wäre; daß wir von hier aus aber auch an die Seite derer treten, die vom Populismus der Deregulierungsexperten am stärksten ausgegrenzt werden: Ausländer, chronisch Kranke usw.

    Ich bin mir bewußt: Derartiges kann vielleicht noch gedacht, aber angesichts der Krise der Linken und der realen Kräfteverhältnisse nur noch mit Mühe und Anstrengung vorgeschlagen werden. Trotzdem bin ich vorsichtig optimistisch. Was beispielsweise seit einigen Wochen in Italien passiert, haben bis vor wenigen Wochen die meisten für unmöglich gehalten. Ich glaube also, daß ein soziales Beben, auch in den Metropolen, zu spüren ist und daß wir dieses soziale Beben wahrnehmen, uns darauf einrichten sollten. Wenn in die aktuellen Basisinitiativen bewußte Handlungsfähigkeit hineinkommt, dann werden ihre Militanten sich bald als Teil einer neuen emanzipatorischen Massenbewegung wiederfinden. Vielleicht. Ich hoffe es.

    (Der Text ist das von Karl Heinz Roth durchgesehene und leicht ergänzte Transkript seines Referats. Die Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Zürcher Redaktion »Vorwärts«, welche Roths Referat bearbeitete und zuerst veröffentlichte.)

     

     

    Der Text entnommen dem Band "Krise - welche Krise?", herausgabeben von der IG Rote Fabrik/Zürich, mit Texten von Res Strehle, Ernest Mandel, Robert Kurz, Maria Mies, Karl Heinz Roth, erschienen im Mai 1995 in der Edition ID-Archiv, Berlin-Amsterdam.

    Online auch unter:

    http://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/krise/krise.html

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    10/09/12
    An interview with Eduardo Murúa, former president of Argentina’s Movement of Recuperated Enterprises, on how workers occupy failing firms, resist repression and re-open them as workers’ coops.

    Conducted during Eduardo Murúa’s visit to Toronto, Canada, June 3, 2006

    Interviewed by: Jennifer Moore

    Introduction, notes of clarification, and translation: Marcelo Vieta

    Bios

    Eduardo Murúa is the former president of Argentina’s National Movement of Recuperated Enterprises. Murúa currently is also an associate of the aluminum manufacturing plant IMPA, one of the first and most emblematic worker-recuperated enterprises located in the city of Buenos Aires’s Almagro neighbourhood. Murúa has been, from the first days of the worker-recuperated enterprises movement, a central figure in helping articulate the methods of workplace occupations by employees working in failing firms and reopening these workplaces as workers’ cooperatives.

    Jennifer Moore is Canadian independent print and broadcast journalist currently based in Ecuador. Her journalistic work has appeared in The Dominion, Fighting FTAs, bilaterals.org, Pacific Free Press, Rabble.ca, Gorilla Radio, The Tyee, and Agencia Latinoamericana de Información.

    Marcelo Vieta is currently a PhD Candidate (ABD) in Social and Political Thought at York University (Toronto, Canada). In 2011 he will be Visiting Post-Doctoral Researcher at the University of Trento’s European Research Institute on Cooperative and Social Enterprises (EURICSE). Since 2005 he has been working extensively with Argentina’s worker-recuperated enterprises and conducting ethnographic and political economic research in Argentina on the movement of worker-recuperated enterprises.

     

    Setting the Stage

    Once an emerging industrial nation with Latin America’s strongest labour movement, the continent’s most skilled workers, a solid middle class, and the region’s lowest rates of unemployment, the 1990s saw the pummeling of Argentina’s industrial base and its working class as a result of the country’s failed neoliberal experiment. The privatization of most of its public assets and natural resources; the implementation of stark anti-labour legislation; the sharp rise in local business bankruptcies due in part to the flood of cheap imported goods and an overvalued peso; the multinationalization of the national economy; rising unemployment, underemployment, and poverty…. These were some of the outcomes of the country’s neoliberal sojourn that led to the now well-known social, political, and financial crises years at the turn of the millennium and that fulminated into mass social protest on December 19 and 20, 2001. Within a conjuncture of increasing immiseration for its working people, Argentina’s phenomenon of worker-recuperated, worker-run enterprises (empresas recuperadas por sus trabajadores, or ERT) has been crafting promising and viable alternatives for over 10,000 workers in around 200 recuperated firms.

    Eduardo Murúa, former president of Argentina’s now-fractured Movimiento Nacional de Empresas Recuperadas (National Movement of Recuperated Enterprises, or MNER), has had an important role in articulating the path to self-management for Argentina’s ERTs.[1] In recent years he has taken more of a back-seat role in the task of helping to organize and lobby on behalf of almost a third of Argentina’s ERTs. Between 1997 and early-2006, however, Murúa had been very active in the waves of social protest blanketing the country during these years, especially in the experiments in alternative economic and production practices being forged by Argentina’s myriad social justice movements. Most importantly, his was an important voice in the debates and experiments focusing on how workers were to occupy and recuperate their failing or owner-abandoned firms, how these firms were to be converted into workers’ coops, and how the practices of autogestión (self-management) could best unfold. During these years Murúa also helped found MNER, the first and, for a time, the most influential association and lobby group of worker-recuperated firms. Amongst other accomplishments, MNER played a central role in the struggle for securing a national law of expropriation for these workers’ coops, in assisting in articulating their processes of restarting production under self-management, and in the fight for the reform of Argentina’s bankruptcy laws in order to facilitate workplace conversions into workers’ coops.

    Murúa was also central in organizing the Primer Encuentro Latinoamericano de Empresas Recuperadas por los Trabajadores (First Latin American Gathering of Worker-Recuperated Enterprises) that took place in Caracas, Venezuela in October of 2005. Supported financially and politically by Venezuelan president Hugo Chavez, it was the first region-wide gathering of ERTs in Latin America, attended by 400 worker protagonists from 235 recovered enterprises as well as sympathetic union leaders and rank-and-file members, and government representatives from Argentina, Bolivia, Brazil, Ecuador, Haiti, Mexico, Peru, and Uruguay.[2]

    Between 2006 and early 2009 Murúa had taken on a less public role, focusing more on the recuperation of new workspaces as they arose and if he was called on to assist, and helping out with the daily issues of self-management at IMPA, one of the first and most emblematic worker-recuperated enterprises located in the city of Buenos Aires’s barrio of Caballito. In August of 2009, Murúa returned to the public scene as IMPA’s workers faced eviction again. Over the span of three weeks in August, Murúa led IMPA’s workers to resist this most recent threat by convincing them to open a “permanent and open” workers assembly and calling on other ERT protagonists and sympathetic social movement groups to join IMPA’s fight. Throughout, the IMPA workers hosted almost daily cultural events at the factory. The workers also set up a camp outside of IMPA’s doors and secured an arsenal of molotovs and other weapons of self-defence in order to prepare to resist a potential eviction at all costs. During this time Murúa also went on a two-week hunger strike. These events were motivated by legal actions in recent years that are still placing IMPA’s continued existence at risk. Early in 2009, a partisan judge from the city of Buenos Aires agreed to reopen a case initiated by a group of former investors that wanted the plant back in order to sell the property in Buenos Aires’s lucrative real estate market. The judge had begun to rule in an earlier hearing that IMPA’s law of expropriation was “unconstitutional.” Due in no small way to the political struggle led by MNER in the early years of the ERT phenomenon, this law has been favourably applied to many ERTs. It legally cedes a worker-recuperated plant to its workers in order for them to reopen the plant as a workers’ cooperative without further legal repercussions. A final verdict of unconstitutionality in the IMPA case is still outstanding as of mid 2011. Should local courts rule against IMPA, the ERT would be forced to close its doors forever, once again preventing its workers from working at the plant. It would also close the thriving cultural centre, adult education program, and community health clinic that also operate within the factory. Moreover, such a ruling risks setting a harmful precedent for around 60% of Argentina’s ERTs that have also to date been expropriated on behalf of its workers. The public attention that recent worker and community mobilizations at the plant have been garnering has forced the presiding judge to delay on a final verdict. For now at least, IMPA continues to be in the hands of its workers while Murúa and his compañeros at the plant remain on a state of alert. This new round of legal issues faced by IMPA’s workers was enough to encourage Murúa to re-emerge publicly, and once again take on a leadership role in the struggle to keep IMPA a workers’ coop, as well as in the broader struggles for sustainability and recognition still faced by the ERT movement.

     

    Independent journalist Jennifer Moore conducted the following interview on June 3, 2006 while Murúa was in the southern Ontario region as an invited guest speaker for the Canadian Association for Studies in Co-operation’s national conference. During the week he was in Canada he also gave several public talks and held numerous meetings with local unions and coops. In the interview, Murúa most poignantly predicts that the world’s capitalist system, debt-ridden and exploitative as it is, was inevitably heading for an impending financial crisis: a ‘corralito mundial’ as he has termed it elsewhere.[3] The interview can be read as an early forecast of the current crisis of world financial capital that began in 2008 and that we are still living through. He also expresses clearly and with passion his vision for a different Argentina and Latin America – where wealth might be distributed more equitably and where work, in and inversion of Juán Perón’s much-quoted vision, cannot equal dignity if one’s work continues to be permeated by alienated and exploitative forms of labour and informality. In sections of these passages, Murúa moves beyond his militant Peronist-Montonero roots and sounds more like and old Marxist. In other passages of the interview, however, he also comes close to sounding like an autonomist or libertarian Marxist, especially in his views of the necessity for bottom-up worker resistance and self-organization, for forging a new Argentina, as well as with his critical views of the state and global multinational organizations and their culpability in reproducing crises.[4]

    While continuing to be an outspoken and at times controversial figure amongst Argentina’s social justice movements, there is no doubt that Eduardo Murúa’s vision for workers’ controlling their own productive lives continues to resonate within the debates that are attempting to articulate how it is that a better, more equitable Argentina can be forged. His words can also offer invaluable lessons and inspiration for the conceptual thinking and concrete struggles of workers and activists in the global North and South that are searching for paths beyond enclosures, especially in the current crisis of global capital. There is also little doubt in my mind that his voice over the past dozen years has helped continue the lucha of those Argentines that were tortured and killed in the 1960s and 1970s for their dream of a freer, more just society. Indeed, in the struggles for self-reliance, self-management, affordable housing, human rights, and more equitable distributions of wealth for all Argentines, Murúa – like many others – has been contributing to the recuperation of the desires and demands of Argentina’s past militant workers, activists and students for contemporary projects of liberation.

     

     

    ~Marcelo Vieta, September 2009

     

     

     

     

    The Interview

     

     

    Jennifer Moore – What were you involved in before the financial collapse of Argentina in Dec. 2001?

     

     

    Eduardo Murúa – OK, well, the movement [of worker-recuperated enterprises] begins before the financial collapse of Argentina. Before I got involved with the movement of recuperated enterprises I was a political union organizer in Argentina. I was an oppositional individual within the steelworkers union. I was also a political militant in an organization that originated in the Montonero movement.[5] I was a militant on behalf of workers’ rights. I would get involved with workers’ conflicts in their struggle to better their wages and social benefits.

     

     

    JM – Was the financial downfall of Argentina in late-2001 anticipated and what was the role of the movement [of worker-recuperated enterprises] during the financial crisis of that time?

     

     

    EM – I’m wondering why you’re pivoting on the role of the financial crisis here? We shouldn’t really focus entirely on the financial crisis of December 2001. This movement began before the crisis; the movement of worker-recuperated enterprises began four years prior to the formation of the National Movement of Recuperated Enterprises [MNER]. What happened in 2001, that is, what it perpetuated, beginning with the financial crisis and the social crisis that this generated, was that all of the experiences of struggle of the labour movement – the movement of unemployed workers, the piqueteros,[6] the worker-recuperated enterprises – finally became visible to society at large. It wasn’t that these movements began with the financial crisis, but that all of this already started with what the neoliberal model generated, the model that was installed by the dictatorship of 1976 and that was continued by the subsequent formal democracies up to ’95-’96. And it was then that there was a decision by a good part of the collectivity of workers to begin a method of struggle that included occupying factories and getting them to produce again, but his time under the control and management of workers. This was many years before the financial downfall. But these worker-led actions perhaps presaged what was about to happen in the country, which ended up being the rupture of the chain of debt payments, the financial crisis, the massive closing of factories, and so on.

     

     

    JM – I realize now that I made a mistake in my initial question to you. Perhaps this has to do with my lack of knowledge on the particularities of the movement, and also an error in the information that I’ve been receiving up till now. But, OK, let me ask you straight out: How did the movement start?

     

     

    EM – No, no. What I want to clarify is that it’s not a problem with, say, your lack of interest or with your education on these matters. The issue rests with the level of disinformation that often comes out of Argentina from certain sectors, like the parties of the left that joined these movements almost three or four years after the struggle that the workers had already begun. It’s as if when these sectors appear the struggle begins! So they tell the story from 2001 onwards when the story really begins much earlier. That’s why you at times most likely receive information saying that the recuperated enterprises began in 2001, but then you’ll find, if you dig deeper, that there were worker-recuperated enterprises in ’97, ’98, ’99.

     

    But, OK, like I was telling you, the first factory recoveries begin in ’97 and ’98. I think the main reason for these first recoveries was the situation that the Argentine workers found themselves in, due to the high rates of unemployment in the country that [at its apex] affected 35% of the national workforce. This in a country that historically had a three or four percent rate of unemployment (that’s to say, almost full employment), that had a work culture that was firmly established with workers, a culture that in Argentina even defines dignity closely with work. So these factors caused workers – which at that moment were feeling that it was impossible to find work elsewhere when they got fired – to fight for the recovery of their employment. Rather than falling prey to structural unemployment, they decided to fight for recovering their factories and getting them up and running again under their own management. They knew that, otherwise, the fate that awaited them was to become structurally unemployed forever.

     

     

    JM – OK. So can you explain the role of the movement from that point on a bit more?

     

     

    EM – Yes, of course. Those of us that came from previous union and political struggles had already come to the realization that the usual methods of labour struggle would not be enough. It wasn’t enough to fight for wages or our work conditions; we had to, rather, find new methods of struggle that would ensure the preservation of employment for all workers. What the movement did very well was to accompany the struggle of workers in recuperating their factories, to create the experience – because it’s one thing to plan and propose, it’s quite another thing to actual do – of recovering factories that were almost emptied of their prime materials, machinery, that had their gas and light cut off. It was a huge challenge. A challenge that those of us that came from a history of militancy knew we had to confront. But those that really confronted these challenges were the actual workers. They were the ones that sacrificed the most, and it was the workers who recomposed the factories with what I would not hesitate to say were at times inhumane sacrifices. Inhumane because they had to stay in the factories all day, they had to suffer not receiving salaries, to work many more hours than what would be deemed normal.

    But, OK, all of this helped to convince us that this method of struggle that we were proposing was actually viable. And the only ones that could make this strategy possible were the actual workers and their own will to resist being shut out of the nation’s productive apparatus. In other words, what MNER has always done well has been to accompany the workers, to be in solidarity with them, and to explain to them and attempt to convince them that they had to use the early struggles of the first recovered factories as examples for how to continue to work. So, more than anything, the most important thing that MNER gave workers was solidarity.

     

    JM – Can you speak more about the cultural change that is needed in the workers that participate in this movement in order to move towards a notion of autogestión – self-management – in their work and their community?

     

     

    EM – Yes. We are still a new movement that has much to learn, that has to study more, that has to have many more debates between workers. In the beginning I have to say that we didn’t set out to study the question of autogestión. Rather, we began by defining what juridical form would serve us best during that historical moment and in order to ensure that the factory would be able to continue to function. We thus decided that the cooperative form of organization would be best because it would permit workers to self-manage their enterprise, enable decisions to be made within an assembly, and ensure that revenues would be distributed equitably. Afterwards, the transformation of each worker is dissimilar. That is, the change in subjectivity in some workers is much more powerful than in others. The subjectivity and culture of many, many workers have not changed. Many workers go to work everyday and just do their tasks in the recuperated enterprise; they do them very well, perhaps with more effort than before when they worked under a boss. But they finish their job for the day and then they go home like they did in their old jobs. Other workers are different. They have reconceptualized the factory differently. They begin to talk and think in a new way. They have come to understand how their former bosses were exploiting them. They have come to understand how the economic system functions in Argentina, how the capitalist system destroys each one of our workplaces, how the monopolies function. The strongest change in subjectivity occurs in those workers that entrenched themselves the most in the issues of the recuperation of the enterprise in the early days of occupation. These early processes were very important for that.

     

    Another change that for us was very fundamental was that, given the same salary with the same work conditions, we are most certain that a worker in Argentina today would chose to work in a recuperated enterprise over an enterprise under the management of a boss. No compañero[7] that has gone through the experience of working in a recovered enterprise will want to return to a job managed by a boss. That is, we’re assuming that work conditions are the same and that salaries are the same. For sure if there is an offer of x amount in wages that is more than what a worker would make in a recuperated enterprise it is possible that he would migrate to a capitalist enterprise. But under similar conditions, it is certain that that worker would not want to work under a boss. Do you understand? This has to do with the degree of internal democracy, the degree of freedom that that worker feels by working in a recuperated enterprise. That is, the change in subjectivity, I would say, happens even within the relations of production within the firm. Today the worker in a recuperated enterprise doesn’t feel like a worker any more, inside of a recovered factory the worker feels like a compañero. He doesn’t feel like a worker utilized within an alienating job. Independently from this though, we can’t forget that even in recuperated enterprises work is still alienating to a certain degree in some sectors.

     

     

    JM – With what other social movements is the worker-recuperated enterprises movement allied with in Argentina?

     

    EM – OK, well, I would say with all of the sectors that struggle against the system. With the compañero in the piquetero movement, the unemployed compañeros, the compañeros in unions. In all of these organizations there are compañeros that struggle for the destruction of the system. There are some organizations that are more centrist, others that align themselves with the left, but within these organizations there are always compañeros that are involved in the fight, that are in solidarity with other compañeros, and that are definitively fighting for a different Argentina, an Argentina without exploitation, for a freer people.

     

    JM – Can you talk more about the economic cycles that Argentina is living through right now [in mid-2006]?

     

    EM – I think that there is an entire discussion to be had around cycles, whether cycles exist or not. I don’t know if they are called ‘cycles’ anymore. Well, that is, there is a permanent cycle that is the decadence of the system. In Argentina what happened after the social and financial collapse of 2001 was that an accord was formed between the different sectors of power, between the interested monopolistic sectors in the internal market and those interested in producing products for exportation, another sector that is made up of the historical Argentine oligarchy and foreign groups and international financial capital groups, and yet another group that administered the privatized corporations and the financial services enterprises that proposed and spearheaded the dollarization [of the peso in the 1990s].[8] The group that ended up winning this intense competition was the export sector that succeeded with the devaluation [of the peso] in 2001, where there was also a small import substitution, and where there was a reconstitution of idle but productive capital, but that had already reached its limit point, and that, I feel, in the next few years, will provoke another crisis. International financial power gave us a brief summer after the chaos of 2001-2002, gave us brief respite, because we have to also say that for two years Argentina didn’t pay even one peso of interest on its debt with the permission of international financial power so that Argentina’s political power base that had lost all of its legitimacy could reconstitute itself. And it’s not that they gave this permission joyfully either, they gave this permission because they knew that if they didn’t give this permission the revolution in Argentina was imminent.

     

    JM – So what do you think of how Nestor Kirchner is represented as leaning more towards the left or as part of this wave of the left in Latin America?

     

    EM – Well, first off, I don’t think there is a wave towards the left in South America. What I do think is that international power has designs to continue with the same model, to change a few things in order not to change anything – acopiardismo.[9] What’s been designed for Latin America is a democratic assistentialism,[10] that’s why they used and are continuing to use a progressive discourse, the same progressive discourse that says ‘no’ to the IMF but yet pays it $10 billion US, like Nestor Kirchner paid to the International Monetary Fund, like the $15 billion US that Lula paid to the IMF. The same discourse that says there is a need for the IMF to recover that money, that says the international debt must be recognized – which is a fraudulent debt, a debt that was put into place via dictatorships and with the fall of our compañeros, with the death of our people and our country. Argentina’s economy continues on this transnationalistic path; over the past two years major Argentine companies have been sold off to Brazilian and American groups. The strategic sectors of our economy continue to be privatized and remain in the hands of foreigners. So to call Kirchner’s government a popular government of the left is, at most, a joke.

     

    I want to say one more thing regarding this: What’s worse – and this really makes us angry – is the government of Mr. Kirchner sometimes appropriates, when it is convenient for him to do so, the memory of our compañeros who disappeared and died confronting the [1976-1983] dictatorship with arms – this memory is the only thing that remains alive, symbolically, of the struggles of our fallen compañeros. He often uses this when talking about the dictatorship.

     

    JM – I’d like to talk a bit about the international movement: What’s happening with the movement of worker-recuperated enterprises in other countries in South America? Can you talk about this?

     

    EM – Well, with regards to other workers’ movements, what happened in Argentina is happening in other places. It’s a byproduct of the crisis that’s inherent in the system. A system that can’t create employment, that creates societies that are completely dualistic. Slowly but steadily, this [crisis] will deepen more and more. What happened in Argentina happened in Brazil, in Uruguay, in Venezuela. We began to work with our compañeros in Venezuela, and with the Ministry of Labour in Venezuela, after the general work stoppage generated by that country’s bourgeoisie, the general lockout of workers by the country’s employers, and the closure of factories there. After some initial discussions with our compañeros in Venezuela, and with our connections with compañeros from the worker-recuperated enterprises in Uruguay and Brazil, we convened in Caracas in October 2005 to discuss and debate all of this, to see how we could consolidate this process of recovering work and jobs by the very workers of Latin America. Something we also discussed in Caracas as a movement is that we shouldn’t only think of this movement as a Latin American one, because the problem of unemployment is everywhere. Our intention is to [eventually] congregate all self-managed workers [from around the world] that practice autogestión. But it’s also important to say that it’s the intention of our movement to not only congregate those involved in recovering companies. Our people generated a plethora of options in the search for work, in order to create new work: microenterprises, peoples assemblies that got together to produce, cooperatives of rural workers, campesino movements recovering land, etc. The idea of our movement is to work towards congregating all self-managed workers in order to discuss, debate, and consolidate our processes and to be an alternative to that which capitalism is developing, which is rooted in exclusion. We want an alternative of inclusion that also obviously disputes power.

     

    JM – What type of infrastructure can you see as an alternative for the different manifestations of this movement amongst these diverse peoples, such as the proposal for a ‘multinational of the people’ and those types of proposals?[11]

     

    EM – Well, what we proposed to the Latin American workers in the meetings in Caracas is that we need offices of interchange in the different countries in order to form a database of experiences, in order to understand better the level of productivity that we can rely on, to complement each other in our productive activities, in order to exchange knowledge between the workers of each country. Also, in order to exchange technology between each country, which would differentiate us from the financial agreements between the big multinationals. Replicating a model of capitalist multinantionalism is of no interest to us because the development of ‘the market’ in each country is of no interest to us – what is of interest to us is that each of the nations’ peoples experience their own development. Therefore, we want to be able to share with all of our compañeros our technologies, our learning, and also be able to commercialize our products between the workers of the recovered enterprises. We want to be able to share between all of us an entity that would help in [a new type of] commercialization; that is a ‘multinational of the people’ that could distribute our products directly to the people of Latin America. We want to be able to ultimately compete with capitalist production. We feel that we could even have competitive advantages over capitalist enterprises, not by having the same economic and financial capital that they have, but because we consider and have confidence in the conscience of our people: That is, we feel that if we arrive on the market with the same quality of products at the same prices, that people will prefer to buy products from workers of recuperated enterprises or from self-managed workers rather than capitalist products. So, on the one hand, [our broader economic strategy] is to generate a [new] market, a brand,[12] a new form of integration between peoples.

     

    On the other hand, we [are proposing] the creation of a ‘bank of the worker.’ A bank that would take care of the savings of the working and middle classes. [This bank would] redirect this money back into local production, not into the international financial system, not into the financial game of chance, in umpteen types of bond and investment schemes. Rather, we think that the people’s savings should be directed into physical production in order to then enable [these funds] to be redistributed. We think that one of the deficits that self-managed workers have in the recuperated enterprises movement is lack of capital. And we think that we are more than able to not only produce well but also to capture these savings and transform them into new types of production while at the same time being able to return the savings to those that have saved with this bank, and even return these savings with some interest as well, right? Nobody is going to contribute one’s own savings without seeing some interest returned to them. We feel that we would be able to return this interest to savers and at the same time take away the mediation of the traditional bank. When one puts money into a traditional bank on a fixed term rate he or she is paid a predetermined rate of interest, and when he or she takes out a loan the same bank charges them three times more interest. This gap wouldn’t exist in the workers’ bank we are proposing.

     

    One of the other things that we are proposing – and this is perhaps more immediate – is to call on all Latin American self-managed workers to carry out a boycott against all monopolies. To unite against the big monopolies and oligopolies that drive the structures of production in our countries, beginning with raw materials and the prices and the conditions of payment they establish in our countries. We’d call on this boycott in order to impede these policies that are an offence to all small- and medium-sized enterprises and all workers. This, I think, is something that we can already do. If we settle on thinking that we can be profitable only by recovering factories and that that’s it and that nothing else has to change we’re going to make a mistake because, at some moment, just like the small- and medium-sized enterprises that disappeared [some of which we took over] and just like the old bosses went bankrupt, there is a strong possibility that we too could end up bankrupted, especially if we don’t look at modifying the market system and if we don’t begin to put into place the rules necessary for [the creation of ] a popular economy.

     

     

    JM – What do you think about the fair trade system that we’ve been talking about a lot over the past few days, and maybe also the similarities or solidarity between the fair trade system and what you’ve been describing up until now?

     

     

    EM – Yes, I think it’s extremely important to have this type of mechanism. To be sure, those of us that are involved in the production and the commercialization of these types of products must come together so that our products can effectively reach our communities. When we speak of a ‘just price’ we also need to discuss what this price should be and how this final value will be distributed among the whole of the chain. In any case, it seems to me that this is an important issue because we could even set benchmarks to control the enterprises [that engage in these practices] by setting the norms within which they must operate using criteria such as how they treat their workers, how they distribute salaries, allocate vacation time, etc. That is, if the enterprise desires to enter this market that we call ‘fair price’ or ‘fair trade’ we would need to better control those enterprises that carried this certification.

     

    I think this is all a bit incipient, still, however. We would have to discuss these possibilities further. I, we, need to study and debate these options further to see if we could incorporate the system of worker-recuperated enterprises within this mechanism. But I do think it does line up with our thinking around setting up an alternative market to those markets that are dominated by the monopolies and oligopolies.

     

    While we need to remember that the instruments that we generate within our various alternative movements – the recuperated enterprises and the fair trade and fair price movements – are all important, we must never forget, at the same time, that the struggle is also a political struggle, the struggle for mobilization, the struggle of bodies on the streets.[13] These things are, in the end, the only things that will ensure that one day we will have the possibility of liberated peoples living democratically and with justice.

     

     

    JM – We spoke a bit about [Nestor] Kirchner already. I’d like you to give your opinion on Hugo Chavez, too, and the way he is presented in the international mass media and also his role right now, perhaps not for proposing the solution for South America, but perhaps with respect to his role in creating a space for the social movements.

     

     

    EM – What I have to say concerning President and Commandante Hugo Chavez is this: I think he has made a very important contribution to all of the world’s peoples when he proposed, from the presidency of a nation – that is, from an institution that is as important as the presidency of a country – to suggest that the capitalist system is finished and that we have to invent a new system, which is undefined still, which we must create collectively, that must be created between the world’s peoples. It’s a proposal that he hasn’t attempted to define, and I think it’s respectful not to define what this other system should be. But he has certainly said to the entire world that our system of capitalism is finished. No president has ever dared to say this much. And I believe that this is important and it encourages the collectivity of our people to debate whether [solutions] should be like this or like that.

     

    Also, with respect to what we’ve worked on together, I think that we have found in President Chavez and his ministers a special attention that we did not find in the governments of our country with respect to the problematic of workers, to the problematic of employment, of the necessity for the productive development of our countries.[14] And, in point of fact, the Latin American workers of recovered enterprises were able to get together thanks to the support of the Venezuelan state.[15] It was the Venezuelan state that permitted all of the workers from Latin America – because it wasn’t only workers of recuperated enterprises that got together but rather also workers from many unions and leaders from many unions throughout Latin America – to debate how this method of struggle that some workers had initiated some time ago was multiplying throughout Latin America….

     

    So, I think that what Chavez is doing in his country is very important, although surely there is still much more to do. But the most important thing that I have seen in Venezuela is the policy decisions initiated by the government that favour popular organization. That is, everything that Venezuela does it does in order to make popular organization functional, to make democracy possible, to facilitate the unity of each barrio.[16] Wherever there is a necessity an organization is formed, and it’s not about the state needing to direct solutions but that the solutions should begin to emanate from social organizations, each demand comes from the social organizations, and the state assists in complementing these. To me, it seems that – much beyond just the words of President Chavez with respect to the system, much beyond just the words of President Chavez with respect to what Mr. Bush is, or what US imperialism implies – what is really worrying the system about Venezuela is the organization that’s forming in the grassroots, how the campesinos and workers are organizing without intermediaries. It is that [kind of] democracy and that organization from the people that can prevent any foreign intervention.

     

    JM – What can you say to the workers and the people of North America, that is to the people of the so-called ‘first world,’ about what can happen here, about the changes that are also needed here?

     

    EM – I think that, just like in my country, in the first world there are two classes of sectors. One sector is the majority of the people, that is the group that I like to talk about, that is the majority of the working class that will suffer the consequences of the crisis of the model that is entrenching itself more and more, that will suffer the same fate that the Latin American people have suffered: the loss of employment and of [deteriorating] life conditions. I would tell this sector to organize, to occupy those spaces that are empty, that they should occupy these spaces in order to produce, that they should start their own productive activities, their own culture, their own education. Spaces must be occupied. We can’t let ourselves be robbed any longer; we can’t allow our rights to be taken away anymore. We have to organize ourselves.

    And to those sectors that today feel included? I say to them that their current strategies are not the best form of security. First, it’s as if they’re living in a bubble, or a great lie. A great lie because they believe that their lives are secure with their pension funds, retirement funds, savings, bonds upon bloody bonds, and all of these things that generate the mechanisms of debt. One day they will find themselves with the great surprise that in reality they have nothing. And, furthermore, the thing that they are really generating is poverty. Each supporting act that they do, beginning with their proposals for ‘security’ – and I say this word between scare quotes – is really adding another brick to the wall and is killing another child in Iraq. Do you understand? The world needs other things. It needs its peoples to complement themselves. In needs for all of us to work for the integration of all people. There is no way out from within the system of capitalism; there is no way out using the capitalist system. We’re not going to tell the world what to do, though. I think we have to all sit down and debate this. But we do have to change all of the institutions that are now invalid and out of date – like the International Monetary Fund, like the UN, the WTO – where four or five decide what can and cannot be discussed. We instead have to find new forms of integrating and structuring society. The world has reached a level of technological development where we could all live well. The problem is that what is lacking are the institutions that can properly distribute this wealth. Humanity has already attained such a high level of knowledge that we could produce everything that we need. Now what’s needed is the right degree of consciousness of society in order to create the [proper] institutions of distribution.

     

    JM – OK, well, for now, I have no more questions. Thank you. Before we end, is there anything else that you’d like to share with us?

     

    EM – Well, I love Toronto. [Laughter.] No, really, I’m serious. I was just telling my compañeros here earlier today that I am certain that Toronto has its problems, that there are compañeros in Toronto that are badly off. Lamentably, I know the state of Latin American cities better and I would say to the people of Toronto that poverty appears to be far tougher there, in Latin America, for more people, however. The streets there seem to me to be harder. Far too many of our people are badly off. And, unfortunately there still continues to be, as in colonial times, the extraction of resources or of production from our Latin American countries to sectors of the first world. All of this must change if we want to have a better, different kind of world.

     

     

     

     

    ~ June 3, 2006, Toronto, Canada

     

     

    Footnotes

    [1] The eventual fragmentation of the once-influential MNER in early-2006 was primarily due to tactical and political differences between some of its most politically active protagonists. These differences included: the strategies and tactics MNER should adopt concerning Argentina’s political and business establishments; issues concerning how a recuperated enterprise should best organize itself and face its continued microeconomic challenges; and how to best deal with then-president Nestór Kirchner’s centrist labour policies. Moreover, in April of 2006 some strong disagreements arose within MNER concerning the internal political and financial handling of the ongoing economic difficulties at IMPA, a metallurgic workers’ coop widely recognized as one of the first and most symbolic ERTs. A more thorough account of this history can be read in: Vieta, M. and Ruggeri, A. (2009) ‘The worker-recovered enterprises as workers’ co-operatives: The conjunctures, challenges, and innovations of self-management in Argentina and Latin America,’ in D. Reed and J. J. McMurtry (eds.) Co-operatives in a global economy: The challenges of co-operation across borders. Newcastle-upon-Tyne, UK: Cambridge Scholars Press, 178-225.

     

     

     

    [2] For more on the Primer Encuentro, see: Martín, J. (2005, Nov. 6) ‘Primer Encuentro Latinoamericano de Empresas Recuperadas por los Trabajadores,’ elmilitante.org and Barcelona Indymedia [http://barcelona.indymedia.org/newswire/display/213621/index.php]; Trigona, M. (2006, Mar. 19) ‘Recuperated Enterprises in Argentina: Reversing the Logic of Capitalism,’ Citizen Action in the Americas [http://americas.irc-online.org/pdf/series/19.recoupent.pdf]; Vieta, M. and Ruggeri, A. (2009) ‘The worker-recovered enterprises as workers’ co-operatives: The conjunctures, challenges, and innovations of self-management in Argentina and Latin America,’ in D. Reed and J. J. McMurtry (eds.) Co-operatives in a global economy: The challenges of co-operation across borders. Newcastle-upon-Tyne, UK: Cambridge Scholars Press, 178-225.

     

     

     

    [3] “Corralito” is the Spanish diminutive for “corral” or “enclosure.” It was the nickname given to President Fernando de la Rúa’s government’s policy put in place on 1 December 2001 to prevent a massive run at the banks when default on Argentina’s foreign debt was seen to be inevitable. The corralito in effect legally barred Argentine’s from withdrawing more than $250 pesos a week from their bank accounts when the convertibility law was rescinded and the peso was allowed to float once again and devalue against the US dollar after more than 10 years of being pegged to it. This law had much to due with enflaming the popular uprisings of 19-20 December 2001.

     

     

     

    [4] For similar sentiments expressed by Murúa elsewhere (also in English), see the collection of interviews on Argentina’s worker-recovered enterprises: Toronto School of Creativity and Inquiry (interviews and assemblage). (2007). ‘Recovering and recreating spaces of production: A virtual roundtable with protagonists of Argentina's worker-recovered enterprises movement.’ Affinities: A Journal of Radical Theory, Culture, and Action, vol. 1, no. 1 [http://affinitiesjournal.org/index.php/affinities/article/view/6/45].

     

     

     

    [5] The Montoneros were a leftist-Peronist, mostly urban guerilla group involved in both clandestine paramilitary activity and more visible political lobbying and protests from the late-1960s to the late-1970s. They were substantially decimated by the military dictatorship of 1976-1983 during the infamous ‘dirty war’ of that period. During the mid-1980s to mid-1990s, a small group of former Montoneros and new militants attempted to resuscitate the movement by forming a short-lived Montonero spin-off organization known as the 17th of October group, named after the heavily symbolic day in 1945 when Juan Perón was released from prison by the military junta of the day. Murúa was involved with this latter iteration of the movement.

     

     

     

    [6] A piquetero, or picketer, is the commonly used term for a member of the organized unemployed workers that began to emerge circa-1996 across Argentina and that use tactics of road-blockages as their principal protest strategy. Piqueteros are usually, but not always, members of the myriad groups belonging to the Movimiento de Trabajadores Desocupados (Movement of Unemployed Workers, or MTD).

     

     

     

    [7] The noun compañero, literally ‘companion’ or ‘partner,’ loosely translates into ‘comrade’ or ‘comrade-in-arms.’ In Latin America, the concept also evokes a sense of deep friendship and inclusion between individuals who have shared in common struggles or otherwise share some sort of deep experiential affinity.

     

     

     

    [8] The ‘dollarization’ of the peso refers to the fixed-rate exchange policy (officialy called the ley de convertibilidad, or ‘convertability law’) introduced by President Carlos Menem’s administration, and specifically spearheaded by his now vilified Minister of the Economy, Domingo Cavallo, in 1991 in order to stem the tide of acute inflation and hyperinflation that had plagued much of Raúl Alfonsín’s government, Menem’s predecessor, throughout the 1980s. While inflation was curtailed by this monetary strategy, an overpriced peso caused exports to gradually decline throughout the 1990s. As a result, a chronic trade deficit took hold by the middle of the decade as cheaper imports saturated local markets. Unable to do business in such an economic environment, an escalating number of once-profitable small and medium sized businesses, faced with dwindling national and international markets, went bankrupt.

     

     

     

    [9] The verb ‘acopiar’ means to gather together or to stock up and, in an economic sense, to buy up in order to create a monopoly. Here, Murúa’s use of the derogatory expression ‘acopiardismo’ alludes to the systemic strategies and practices of monopolization that have plagued Latin America for the past three decades.

     

     

     

    [10] In Argentina, ‘assistentialism’ (asistiensialismo) refers to the practice by the state and other institutions of offering assistance programs linked to work (i.e., work-for-welfare) or providing social assistance payments to the most needy and marginalized in order to, on the surface, meet their basic necessities but that, in reality, serves to co-opt, corral, and contain these groups and behold them even further to the establishment. Autonomous groups such as MNER and some MTDs view the practices of assistentialism as blatant attempts by the state and other intuitions to co-opt the unemployed, the impoverished classes, and the indigent in order to minimize their political capacities or cut off their activist activities that could threaten economic, social, or political stability. The term is also closely associated by some observers and activists with the age-old practices of ‘clientelism.’

     

     

     

    [11] Aside from completing 75 contracts and promissory agreements between the region’s worker-recuperated enterprises, the Caracas conference participants also managed to cobble together what has come to be called the Compromiso de Caracas (Caracas Accord). The accord detailed the vision for a multinational, worker-led, and continent-wide initiative for a solidarity network of worker-recuperated and other self-managed enterprises that Hugo Chavez termed ‘Empresur.’ Empresur was envisioned as an intercontinental social economic network that would engage not only in traditional forms of trade between the region’s self-managed firms, but would also see these firms interact with each other outside of the neoliberal marketplace. As the Caracas gathering’s participants envisaged it, such solidarity-based interactions would also include the sharing of technical know-how, the creation of funds for ‘fair loans and investments,’ and the provisioning of raw materials rooted in bartering, all working within a transnational network of co-operation that would also offer political support for the legal hurdles faced by self-managed enterprises across the region. Crucially, Empresur was to be grounded in grassroots, socialist-minded, and democratic economic initiatives. Indeed, as Chavez outlined in his inaugural speech at the Oct. 2005 conference, he viewed the experience of the region’s worker-recuperated enterprises workers at the time as the ‘soul’ of contemporary Latin America, underscoring how the experiences and values of the region’s self-managed enterprises’ protagonists symbolized the antithesis of what the FTAA represents. In fact, the concept of a regional co-operative solidarity movement of self-managed enterprises within an alternative social economic framework was subversively labelled, in an appropriation of neoliberal terminology, a ‘multinational without a boss.’

     

    For more on the proposals for Empresur and a multinational of the people that emerged out of the First Encuentro in Caracas, see: PortalALBA (n.d.) ‘¿Qué es la Alternativa Bolivariana para América Latina y El Caribe?’ PortalALBA [http://www.alternativabolivariana.org/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=1], visited 24 April, 2005; Movimiento 13 de Abril (2005, Oct. 28) ‘Instalado 1er encuentro latinoamericano de empresas recuperadas,’ Movimiento 13 de Abril [http://movimiento13deabril.blogcindario.com/2005/10/00066-instalado-1er-encuentro-latinoamericano-de-empresas-recuperadas.html], visited 28 October 2005; Lavaca (2005, Nov. 11) ‘Lavaca en Venezuela: Una multinacional sin partón: Concluyó en Venezuela el 1º Encuentro Latinoamericano de Empresas’ Lavaca.org [http://www.lavaca.org/seccion/actualidad/1/1195.shtm], visit 20 December 2005.

     

     

     

    [12] One of the proposals that Murúa discussed at length in his talks and with protagonists of the fair trade movement from Mexico, Peru, and Canada in his June 2006 trip to the Toronto area was the strategy of branding products produced by worker-recuperated enterprises, microenterprises, and workers’ cooperatives as ‘fair work’ products, or ‘producto de trabajo justo.’ This proposal is inspired by and parallels the marketing strategies and production criteria of the fair trade movement.

     

     

     

    [13] Murúa and MNER call their tactics of resistance – of ‘occupying’ workspaces, ‘resisting’ repression and the dictates of the capitalist system and lobbying governments with their physical presence in courts and regional legislatures, and ‘producing’ under the tenets of self-management – ‘the war of bodies.’

     

     

     

    [14] Between 2004 and 2006, Murúa had been spearheading a working relationship with Venezuela’s President Hugo Chavez. Mainly through the efforts of Murúa, in August 2005 and later in October 2006 as part of the First Encounter of Recovered Enterprises in Caracas, MNER managed to strike a favourable loans deal with Chavez by piggy-backing on a greater regional economic accord negotiated between the Venezuelan and Argentine governments to more closely integrate the two economies. This greater accord between Argentina and Venezuela is part of Chavez’s alternative to the US-backed Free Trade Zone of the Americas (FTAA). Chavez has dubbed this alternative regional social economic initiative the Bolivarian Alternative for the Americas and the Caribbean (La Alternativa Bolivariana para América Latina y el Caribe, or ALBA). See: PortalALBA [http://www.alternativabolivariana.org/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=1].

     

     

     

    [15] Here Murúa is perhaps being overly modest. In many respects, Chavez came to know the possibilities inherent in the worker-recuperated enterprises in Argentina thanks to Murúa. And, due also to Murúa’s own lobbying, Argentina’s most recent experiments with worker self-management have played a crucial role in both inspiring other recent worker recoveries in other countries in the region and in the recent push for an intercontinental social economy articulated at the October 2005 Caracas meetings. Furthermore, because of the legitimacy of the Argentine movement, gained through its long struggles for worker self-management, it is not surprising that Murúa was one of the key players in organizing the first meeting of Latin American recovered enterprises in Caracas. And because Argentina also has the most ERTs by far of any country in Latin America, it perhaps is also no surprise that the 300 Argentine worker delegates that attended the Caracas meetings represented the gathering’s largest contingent of workers. Consequently, the Argentine delegation managed to secure the largest number of work contracts and memoranda of understanding of any of the national delegations in Caracas, despite the lack of participation by Argentina’s national government.

     

     

     

    [16] ‘Barrio’ is the word for ‘neighbourhood’ in Spanish, especially used in Venezuela and the Southern Cone.

    Reprinted from www.academia.edu

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    09/09/12
    Die internationale Protestbewegung am Ende des Ersten Weltkrieges

    Zeitgenossen erlebten den Ersten Weltkrieg als den bis dahin schrecklichsten und opferreichsten Krieg. Vier Jahre lang litten sie unter seinen direkten Auswirkungen, viele weitere Jahre unter seinen langfristigen Folgen. Es war der erste Krieg, in dem im großen Maßstab Flugzeuge, U-Boote und Giftgas eingesetzt wurden. Fast zehn Millionen Soldaten kamen in den Schlachten von Verdun, Tannenberg und anderswo ums Leben, doppelt so viele wurden verletzt. Abseits der Front starben mindestens weitere zehn Millionen Zivilisten an Hunger und entbehrungsbedingten Krankheiten. Der Erste Weltkrieg war der erste globale Krieg. Der mit ihm einhergehende Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber ihren jeweiligen Herrschern war ebenfalls global.
    Millionen Menschen gingen in den Jahren 1917-20 zwischen Petrograd und Barcelona auf die Straße. Sie protestierten für Frieden und gegen die schlechte Versorgungslage infolge des Krieges. Vielfach entmachteten darüber hinaus Soldaten ihre Offiziere, Arbeiter besetzten die Fabriken und Bauern das Land. In vielen Regionen bildeten die Menschen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Nahezu in ganz Europa mussten die Herrscher um ihre Macht bangen. Im März 1919 notierte der britische Premierminister Lloyd George besorgt: „Ganz Europa ist vom Geist der Revolution erfüllt. Die Arbeiter sind nicht nur von einem tiefen Gefühl der Unzufriedenheit mit den Lebensbedingungen, wie sie vor dem Krieg bestanden, ergriffen, sondern von Groll und Empörung. Die ganze bestehende soziale, politische und wirtschaftliche Ordnung wird von der Masse der Bevölkerung von einem Ende Europas zum anderen in Frage gestellt.“

    [...]

    Der ganze Aufsatz als PDF:

    Zuerst erschienen in: Ulla Plener (Hrsg.): Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland - Für bürgerliche und sozialistische Demokratie. Allgemeine, regionale und biographische Aspekte, Berlin 2009.

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    09/09/12
    Der Heidelberger Parteitag der KPD 1919

    Am Ende der Weimarer Republik war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) weit von ihren ursprünglichen Idealen entfernt. Die einst von Rosa Luxemburg gegründete Organisation war zu einer vollständig entdemokratisierten, vom Apparat bürokratisch beherrschten Partei geworden. Interne Diskussionen wurden weitgehend unterbunden, politische Konflikte nicht politisch, sondern organisatorisch, also durch Ausschlüsse und Repressalien „gelöst“. Kritiker belegte die Parteiführung mit Redeverboten oder entfernte sie kurzerhand aus der Partei. Für abweichende Meinungen war in der Parteipresse kein Raum mehr.

    Bereits in den 1960er Jahren hat Hermann Weber aufgezeigt, dass dieser Zustand erst durch eine extreme Wandlung der Partei – Weber bezeichnet sie als „Stalinisierung“ – hergestellt werden konnte: „[Die Stalinisierung] bedeutete für die KPD den Wandel von einer Partei mit einem hohen Maß an innerer Demokratie in eine disziplinierte Organisation mit strikt zentralistischer Befehlsgewalt. Stalinisierung hieß Veränderung des inneren Aufbaus, Entstehung einer monolithischen, straff durchorganisierten, hierarchischen Partei. In ihr beherrschte die Führungsspitze mit Hilfe des Apparates [...] die Mitgliedschaft; die Politik wurde im Sinne und entsprechend den Weisungen der Stalinschen KPdSU praktiziert. [...] An die Stelle von Pluralismus, Selbstständigkeit, Diskussion und Autonomie [traten] Unterordnung, Gläubigkeit, Disziplin und Kommandoherrschaft.“ Durch die sich in den Jahren 1924 bis 1929 vollziehende Stalinisierung sei das Entwicklungspotential eines in der Anfangsphase der Partei noch dominanten „demokratischen Kommunismus“ luxemburgischer Prägung verschüttet worden, der in der Auseinandersetzung mit dem „diktatorisch-bürokratischen Kommunismus“ schließlich unterlegen sei.

    In jüngster Zeit ist Webers These vielfach in Frage gestellt worden. An vorderster Front der Kritiker steht Klaus-Michael Mallmann. In seiner sozialgeschichtlich ausgerichteten Arbeit über „Kommunisten in der Weimarer Republik“ vertritt er die Ansicht, dass autoritäre Strukturen und Apparatherrschaft ein dem deutschen Kommunismus von Anfang an immanentes Phänomen gewesen seien. Er kommt zu dem Schluss: „Es bedurfte nicht Stalins, um die KPD zu ‘stalinisieren’.“ Die These vom in der Frühzeit der KPD dominanten „demokratischen Kommunismus“ luxemburgischer Prägung sei nicht haltbar: „Dass Kommunismus nie ein demokratisches Projekt war, zieht sich wie ein roter Faden durch mein Buch.“

    Nicht wenige Rezensenten folgten Mallmann in diesem Punkt. So erklärt Heinrich August Winkler, Mallmann trage „überzeugende Einwände gegen Einseitigkeiten des Deutungsmusters ‘Stalinisierung’ vor. [...] Eine ‘gute’ KPD der Frühzeit einer vom Einfluss Stalins geprägten ‘schlechten’ KPD in den Jahren nach 1928 gegenüberzustellen war schon immer falsch.“ Sigrid Koch-Baumgarten nennt diesen Aspekt der Arbeit „eine überfällige Revision der klassischen These von den erstickten Ent­wicklungsmöglichkeiten eines alternativen demokratisch-luxemburgischen Früh­kom­munismus.“ Auch Andreas Wirsching – obwohl in vielen Punkten ein scharfer Kritiker Mallmanns – stimmt diesem in Bezug auf die Kritik an der Weberschen Stalinisierungsthese weitgehend zu. Sie gehöre „zu den überzeugendsten des ganzen Buches“ und komme der historischen Realität „weitaus näher als Webers These vom demokratischen, ‘luxemburgischen’ Frühkommunismus.“

    Als einen entscheidenden Beleg für seine Behauptung, die KPD sei auch in ihren Anfängen keine demokratische Partei gewesen und die Wandlungsthese mithin hinfällig, führt Mallmann vor allem die Geschehnisse um den zweiten, Heidelberger Parteitag vom Oktober 1919 an. Im Vorfeld dieser illegal abgehaltenen Versammlung der jungen KPD kam es zu schweren Spannungen zwischen der Zentrale und dem linken Parteiflügel um Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim. In Heidelberg wurden schließlich den überraschten Delegierten von der Zentrale „Leitsätze über kommunistische Grundsätze und Taktik“ zur Abstimmung vorgelegt. Sie betrafen vor allem die seit der Gründung der KPD strittigen Fragen der Haltung der Partei zum Parlamentarismus und den Gewerkschaften. Mit Hilfe der Leitsätze sollte die Partei auf die Position der Zentrale – welche damit auf dem Gründungsparteitag der KPD Anfang Januar 1919 in der Minderheit geblieben war – festgelegt werden: Auf die Beteiligung an Wahlen (die allerdings „als nur vorbereitende Mittel dem revolutionären Kampf unterzuordnen“ seien) und die Mitarbeit in den Gewerkschaften des ADGB anstelle des Aufbaus eigenständiger (kommunistischer) Gewerkschaften. Der letzte Passus der „Leitsätze“ lautete: „Mitglieder der KPD, die diese Anschauungen […] nicht teilen, haben aus der Partei auszuscheiden.“ Mallmann schreibt, dass nicht einmal Ernst Thälmann sich später einen derartigen Rigorismus im Durchgreifen erlaubt habe wie die KPD-Zentrale um den sich als Testamentsvollstrecker Luxemburgs fühlenden Paul Levi. Dieser habe in Heidelberg „das Modell für den künftigen Umgang mit der innerparteilichen Diskussion“ geschaffen....

     

    Der ganze Artikel als PDF:

    Zuerst erschienen in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 6. Jg., 2007, H. 2, S. 33-46.

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    07/09/12

    Un autre monde est possible et s’expérimente, hier dans les sociétés de secours mutuel et les associations ouvrières, aujourd’hui au sein de l’économie sociale et solidaire, tout au moins parmi les associations, les mutuelles, les coopératives, les régies de quartier qui développent un certain type d’activité prenant en compte les besoins sociaux, l’accès aux biens communs et les contraintes écologiques et qui fonctionnent sur la base d’une véritable démocratie active, participative et égalitaire.

    Tel est le propos liminaire de François Longérinas, militant de la coopération, co-président d’une régie de quartier, secrétaire national du Parti de gauche et co-animateur au Front de gauche de l’économie sociale.

    L’ouvrage est articulé autour d’une présentation critique de l’Economie sociale et solidaire (ESS) qui représente près de 10% de l’emploi national et qui, depuis quelques années, doit se défendre contre les tentatives de marchandisation initiées par les gouvernants à l’échelle nationale et européenne, d’une sélection d’expériences significatives choisies pour leur singularité, leur pérennité et leur fort potentiel de transférabilité et d’une conclusion mettant en avant une possible « république  autogérée ».

    Il concentre un grand nombre d’informations utiles à toutes et tous, notamment à ceux et celles qui s’intéressent aux pratiques alternatives et/ou souhaitent s’y engager ; il propose des aménagements législatifs susceptibles de consolider ce qu’on appelle le « tiers secteur non-marchand » (associations, mutuelles, sociétés coopératives) en insistant sur la récupération d’entreprises par les salarié-e-s  et, enfin, situe les différentes initiatives et pratiques alternatives dans la perspective d’une transformation sociale et écologique de la société [1].

    Au coeur de la contestation en actes du capitalisme

    C’est sous le titre « dix aventures pour changer le monde », que François Longérinas sélectionne donc des expériences alternatives aux formes variées, françaises dans neuf cas sur dix, argentine pour la dixième (la reprise de l’hôtel Bauen par ses salarié-e-s, à Buenos Aires, en 2003 à la suite d’un dépôt de bilan ). L’auteur a le mérite de ne pas se laisser enfermer dans un cadre juridique trop précis, limité aux associations, aux mutuelles et aux sociétés coopératives. Ainsi, quatre des expériences mentionnées prennent d’autres formes, du simple collectif militant impliqué dans le domaine artistique au lycée autogéré de Paris, reconnu par l’Education Nationale, même si cette dernière ne  l’aide guère, en passant par la coopération avec les institutions politiques locales dans le cas des monnaies alternatives.

    Autre caractéristique intéressante : la variété des situations qui ont déclenché la dynamique conduisant à la création des structures alternatives mentionnées dans le bouquin. Parfois, c’est clairement la mobilisation sociale qui est aux commandes et qui, s’appuyant sur la résistance des salarié-e-s d’une entreprise ou de celle de tout un groupe social – en l’occurrence les motards – conduit à la construction d’une alternative. (cas des fermetures d’entreprises ou de mesures gouvernementales injustes pour une catégorie). Dans d’autres cas, c’est l’adhésion idéologique aux principes d’autogestion et à l’esprit de mai 68 qui est à l’origine du projet[2]. Dans d’autres cas encore, les structures créées sont la traduction de l’importance politique et sociétale prise par la question écologique (énergies alternatives) ou celle des rapports Nord-Sud (commerce équitable s’inscrivant dans le mouvement altermondialiste).

    On peut peut-être exprimer un regret sur cette recension qui a toutefois le mérite de restituer avec précision et concision la substance de chacune des expériences. Celui de ne pas mentionner, y compris dans une annexe plus politique reproduisant une intervention faite en 2009 lors d’une convention du parti de Gauche, la – ou plutôt les expériences de budget participatif, au Brésil certes mais aussi, plus modestement, en France car, au moins dans le premier cas, elles ont impliqué des dizaines de milliers de citoyen-ne-s dans une démarche active et participative et elles ont donné lieu à une mobilisation conjointe et une forte coopération, même si elle a été parfois conflictuelle, entre associations, comités de base et structures politiques institutionnelles.

    Des propositions stimulantes

    Au fil des expériences examinées et dans le but de soustraire les associations à la « concurrence  libre et non faussée », d’élargir et de renforcer le champ de l’ESS et de favoriser les reprises d’entreprise par les salarié-e-s, François Longérinas propose plusieurs modifications législatives qu’il souhaiterait voir adopter par un gouvernement soucieux de s’engager dans la voie d’une transformation démocratique, sociale et écologique des modes de production et de consommation.

    Citons ici celles qui sont plus particulièrement en rapport avec l’objet de notre association : promouvoir la démocratie active et l’autogestion.

    L’auteur, comme le Front de gauche dont il fait partie, comme l’association AP2E (Association pour une économie équitable) qui en a été l’inspiratrice, souhaite que les salarié-e-s disposent d’un droit de préemption de leur entreprise pour la transformer en coopérative quand les actionnaires décident la fermeture ou la vente. Il souhaite également que les commandes publiques soient prioritairement orientées vers les SCOP et donnent ainsi la préférence à la démocratie économique sur l’intérêt privé.

    Dans le domaine du logement, François Longérinas propose une loi créant un statut pour les coopératives  de façon à permettre le développement de l’habitat participatif et autogéré.

    Dans le secteur de l’énergie, prenant Enerccoop comme exemple – une SCIC (société coopérative d’intérêt collectif) de 7 000 sociétaires et une implantation dans plusieurs régions, il se prononce pour la création de pôles publics de type nouveau associant pouvoirs publics territoriaux et entreprises coopératives ou mutuelles

    Enfin, François Longérinas insiste, à juste titre, sur la nécessité d’une véritable démarche d’éducation populaire favorisant à la fois les pratiques de coopération et la transmission d’un patrimoine immatériel, celui des expériences émancipatrices portées par le mouvement ouvrier et citoyen. Dans le domaine de l’école, les pouvoirs publics doivent favoriser les structures éducatives autogérées pratiquant une pédagogie active et les innovations pédagogiques allant dans le sens d’une plus grande participation des acteurs de l’école à la vie des établissements. Sur le plan des contenus,  l’auteur propose que les associations d’éducation populaire, les acteurs de l’ESS puisent intervenir aussi bien dans le cadre de l’Education Nationale que dans la formation des salarié-e-s pour valoriser la culture de la solidarité, de la coopération et de la démocratie active

    Pour poursuivre le débat

    Si nous ne pouvons que partager les préocupations de F. Longérinas, la plupart de ses appréciations et son souci d’inscrire l’initiative citoyenne et les pratiques alternatives à caractère autogestionnaire dans une perspective de transformation sociale et écologique, on peut aussi discuter certaines affirmations ou options prises parfois par l’auteur.

    Ainsi, si François Longérinas met l’accent sur la nécessité de revitaliser la démocratie interne de certaines structures de l’ESS, notamment celle des mutuelles et des banques coopératives, il se contente le plus souvent de regretter le faible niveau d’implication citoyenne. Mais ne faut-il pas mettre en cause, plus qu’il ne le fait, les mécanismes de bureaucratisation qui, progressivement, ont entraîné une exclusion de fait des sociétaires des principaux choix effectués en leur nom ? Peut-on espérer une participation active quand les principales décisions sont prises en dehors des Assemblées Générales et que la fréquence de ces AG est limitée à une par an ? François Longérinas l’indique lui-même, les expériences coopératives nécessitent non seulement des salarié-e-s motivées mais aussi des salarié-e-s compétent-e-s et, donc, une formation professionnelle suffisante. C’est une condition de la réussite mais aussi de la vitalité de la démocratie dans l’entreprise. Pourquoi n’en serait-il pas de même pour les sociétaires bénévoles des mutuelles et banques coopératives ? Leur formation, à la fois aux enjeux généraux et aux caractéristiques de leur secteur d’activité est nécessaire. Pour les salarié-e-s souhaitant s’impliquer, cela suppose la création d’une sorte de crédit-temps, soit un nouvel espace de négociation entre les syndicats, le patronat, les structures de l’ESS et les pouvoirs publics.

    D’autres espaces de discussion sont possibles. Par exemple, celui de l’organisation des services publics et pas seulement celui de l’articulation entre ces mêmes services dont le fonctionnement serait inchangé et les structures de l’ESS. N’est-il pas souhaitable d’envisager une décentralisation autogestionnaire du service public un peu sur le modèle des SCIC dans lesquelles consommateurs, associations, collectivités locales et salariés sont associés et prennent ensemble les principales décisions[3] ?

    Au fond, ce débat, recoupe celui de la place de l’Etat dans le processus de transformation sociale et politique de l’ordre actuellement existant. Car, même s’il peut-être comme l’indique François Longérinas, « un instrument privilégié de l’appropriation citoyenne et du pouvoir de décision » pour le plus grand nombre, l’Etat est aussi une institution oppressive qui organise la domination d’une minorité sociale. Aussi, tout en utilisant les leviers disponibles, les partisans de l’autogestion ne doivent-ils pas avoir constamment à l’esprit une petite musique de rappel sur les dangers d’appropriation du pouvoir par le haut des structures étatiques ? Ne doivent-ils pas avoir en point de mire, même lointain, le dépassement-dépérissement de l’Etat au profit de communautés tendant vers l’autogestion et établissant entre elles des liens non hiérarchisés ?

    [1]- L’auteur prend soin de mentionner que cette perspective de transformation n’est pas nécessairement partagée par tous les praticien-ne-s de l’ESS.

    [2] – Cette adhésion ne suffit pas en elle-même à pérenniser un projet. Comme François Longérinas l’indique, il faut aussi une solide formation profesionnelle.

    [3] – Dans le passage consacré au Lycée autogéré de Paris, F. Longérinas cite une initiative prise par différentes associations dont la Ligue de l’enseignement et l’ICEM (Freinet) en faveur d’un « Pacte éducatif pour une société éducatrice décentralisée », montrant  qu’il est sensible à ce dernier aspect comme à la participation des usager-e-s à la vie de l’école et à l’insertion de cette dernière dans son environnement social. Ce mode de fonctionnement ne vaut-il pas pour l’ensemble des services publics ?

    Association Autogestion
    7 septembre 2012
    http://www.autogestion.asso.fr

    François Longérinas,
    Prenons le pouvoir Coopératives, autogestion et initiatives citoyennes,
    Ed. Bruno Leprince – 2012- 5 €

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    03/09/12
    Ohnmächtige Demokraten
    Stereotype Darstellungen des "Prager Frühling" in bundesrepublikanischen Schulgeschichtsbüchern

    Vom 20. auf den 21. August 1968 rollten Panzer der Warschauer Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei ein und beendeten gewaltsam ein von vielen Menschen mit Spannung verfolgtes Experiment – die Entwicklung hin zu einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Dieser vom damaligen KPChef Alexander Dub¢ek formulierte Slogan drückte aus, wofür die Reformbewegung von Studenten, Intellektuellen und Arbeitern stand: eine freie, demokratische und sozial gerechte Gesellschaft. Weltweit hat das Aufbegehren der Menschen in der Tschechoslowakei gegen das stalinistische Regime Aufsehen erregt. Unter dem Begriff „Prager Frühling“ ist es in die Geschichtsbücher eingegangen.
    Stattgefunden hat der Prager Frühling während des „Kalten Krieges“ – der Blockkonfrontation zwischen den NATO-Staaten und denen des Warschauer Pakts – in einem Land, das zu jener Zeit zu den Feinden der „westlichen Welt“ gehörte. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Ereignisse damals mit großen Emotionen verfolgt worden sind. Während etwa für SED-Generalsekretär Walter Ulbricht die Entwicklung in der Tschechoslowakei einer „Konterrevolution“ gleich kam, weckten sie bei vielen Menschen in der DDR die Hoffnung auf eine Demokratisierung des „Ostblocks“. Von westlichen Regierungschefs wurde der Prager Frühling mit Begeisterung beobachtet. Aber auch für die weltweite ’68er-Bewegung stellte er eine Inspiration dar, wie etwa folgende Aussage der damaligen westdeutschen Aktivistin und späteren Bundestags- vizepräsidentin Antje Vollmer deutlich macht: „Der Prager Frühling und seine Exponenten waren uns – trotz aller eisernen Vorhänge – so nah und befreundet wie der Pariser Mai und die Studenten in Warschau und Rom.“

    Im folgenden Beitrag soll untersucht werden, ob sich die zeitgenössische Emotionalität im westdeutschen Geschichtsbild niedergeschlagen hat.

     

    Kompletter Text zum Download als PDF:

    Zuerst veröffentlicht in: DTN-Dossier Nr. 6., erschienen im Januar 2007 als Beilage zu DTN (Deutsch-Tschechische Nachrichten) Nr. 77.

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    02/09/12

    C’est dans le dossier « L’autogestion pour demain » publié par la revue Projet en avril 1977 (n° 114), que paraît cet article de Lucien Chavrot, alors secrétaire du secteur « action revendicative et de la politique contractuelle » de la CGT.

    La question de la gestion ouvrière n’est pas neuve dans la CGT. C’est autour de 1920 que la CGT invente la « nationalisation industrialisée » associée à une gestion conjointe tripartite. Au moment de la Libération,  une démarche locale autogestionnaire (même si le terme n’est pas utilisé) existe dans les usines réquisitionnées, avec des comités mixtes à la production, des comités d’entreprise. Mais elle est en en contradiction avec la stratégie nationale officielle.

    Quand le thème de l’autogestion devient populaire en mai-juin 1968 et que la CFDT le légitime en l’adoptant comme principe, le secrétaire général de la CGT, Georges Séguy, y voit une « formule creuse ». Ce thème de l’autogestion et de la hiérarchie en entreprise demeure polémique avec la CFDT, le PSU, le PS.

    De la « gestion démocratique »…

    Toutefois, dès le congrès confédéral de 1969, la CGT affine sa conception de la gestion démocratique , mettant deux conditions pour que la démocratie en entreprise prenne du sens : la prise du pouvoir d’Etat et la planification nationale appuyée sur un secteur public. « Sur ces bases la CGT peut reprendre le terme d’autogestion à son compte ».

    En juin 1972 est signé le programme commun de gouvernement entre le PS, le PCF et les Radicaux de gauche, soutenu par la CGT. Il préconise pour le secteur nationalisé la « participation des travailleurs et de leurs organisations », avec des Conseils d’administration élus par les salariés, (mais sur listes syndicales). Une dimension autogestionnaire transparaît dans la formule de nationalisations d’entreprises « lorsque les travailleurs de l’entreprise en expriment la volonté ». En octobre 1973 la Commission exécutive adopte un document sur la gestion démocratique des entreprises.

    … à la lente reprise en compte de l’autogestion

    Dans la revue du PCF, La nouvelle critique d’octobre 1973,  Jean-Louis Moynot, secrétaire confédéral chargé du secteur économique avance prudemment: « l’utopie autogestionnaire aussi bien que la « participation » capitaliste sont des expressions fausses et dévoyées de ces revendications (anti hiérarchiques)  Il n’en demeure pas moins que la socialisation des forces productives implique également une restructuration en profondeur des entreprises (…) des relations d’un type réellement nouveau entre les individus au travail, une réelle participation de chacun d’eux, une capacité collective et individuelle de décision, d’initiative et de responsabilité ». C’est en note qu’il estime le contenu positif de l’autogestion.

    Par la suite, dans les années 1970 Jean-Louis Moynot dans la CGT, comme  P. Zarifian se distinguent  de la direction confédérale, en prônant ouvertement un « syndicalisme de proposition » décentralisé et des conseils d’atelier qu’ils vont tenter de mettre en place dans la sidérurgie  autour de contre plans industriels.

    En avril 1977 la CGT organise un colloque sur la démocratisation de l’économie et le rôle des travailleurs. La transformation des structures de l’entreprise est désormais mise au même niveau que les nationalisations, et la transformation du contenu du travail et du rôle de l’encadrement sont plus profondément abordés.

    C’est aussi en 1977, que la CFDT se prononce pour des conseils élus d’atelier et de services dans les entreprises nationalisées, et par contrats négociés avec conseils élus et d’entreprise. La CGT accepte le principe d’une participation à la base, reprend finalement à son compte la formule de conseils d’atelier lors de son 40ème congrès.

    contre-plans industriels, SCOP, économie sociale

    Au même moment elle renforce son intérêt pour l’économie sociale, la CGT et les SCOP s’entendent sur des principes généraux concernant la mise en SCOP des entreprises menacées : il faut  l’accord des syndicats, une aide suffisante des pouvoirs publics, et une certaine assurance de viabilité.

    L’entreprise Ducellier illustre, après le 40e Congrès de 1978, les conceptions cégétistes de l’autogestion, avec la constitution, lors d’une grève de sept semaines en 1979, de cinquante-sept conseils d’ateliers.

    Manufrance constitue l’un des principaux exemples de constitution d’une  SCOP dont la CGT défend le modèle jusque dans la fin des années 1980. Une première lutte est menée en 1977 contre un plan de suppressions de plus d’un millier d’emplois. Malgré l’organisation de deux manifestations de soutien les 20 février 1979 et 18 octobre 1980, cette dernière réunissant près de 100 000 personnes, l’entreprise est placée en liquidation judiciaire. Elle est occupée pendant près de 8 mois. Afin d’empêcher la fermeture pure et simple, la décision est prise de lancer une SCOP qui est formée en septembre 1981. Faute de trésorerie suffisante et affaiblie par son dépeçage, la coopérative Manufrance dépose le bilan en avril 1985. Une nouvelle occupation débute et dure plus de 20 mois, jusqu’en décembre 1986.

    Dans la même période, la La CGT va formuler des « propositions industrielles » en élaborant des « contre plans » pour sauver les « industries essentielles ». En fait la CGT oscille entre une polarisation sur le particulier (atelier, bureau, service) et le général (branches, gouvernement) sans que le niveau de l’entreprise n’apparaisse comme un enjeu majeur, le rapport de forces dans l’entreprise étant plus défavorable aux salariés qu’au niveau des branches..

    L’opposition entre des partisans prônant des  « luttes purement revendicatives » et d’autres  adeptes de la « force de propositions » traverse en fait toute l’histoire de la CGT, bien évidemment de façon plus nuancée.. Les périodes de montée de l’unité de la gauche sont des années d’essor d’un certain type d’intervention des salariés dans la gestion, avec le programme commun de 19 72 à 1977/78, en 1982/84 sous le gouvernement PS-PCF avec les conseils d’atelier et la mise en avant de « nouveaux critères de gestion ») ; les périodes de division (guerre froide, rupture de l’union de la gauche en 1978) les remettent en cause.  On peut noter en tout état de cause un parallèle entre l’évolution de la CGT acceptant de parler d’autogestion, alors la CFDT change de vocabulaire en sens inverse, de même en se rapprochant de l’exercice du pouvoir, puis en l’exerçant, le PS abandonne également la référence autogestionnaire, tandis que le PCF l’adopte au début des années 1980.

    Association Autogestion
    2 septembre 2012
    http://www.autogestion.asso.fr

    Pour aller plus loin :

    Jean-Charles Asselain « La dimension sociale des nationalisations de 1982 », Revue économique Vol 34, n° 3, 1983.

    Jean Lojkine, « l’intervention syndicale dans le gestion : le choc de deux cultures », Revue française de sociologie, 1999, n° 40-2.

    Guy Groux René Mouriaux,  La CGT : crises et alternatives, Paris, Économica (La vie politique), 1992.

    René Mouriaux, La CGT, Paris, Le Seuil (col. points), 1982

    Emeric Tellier « Le droit comme outil de mobilisation et de syndicalisation (1968-1993) » sur le site

    http://halshs.archives-ouvertes.fr/docs/00/44/04/42/PDF/Com_Colloque.pdf

    Christian Thuderoz, « l’entreprise et sa representation à la CGT et à la CFDT (1970-1989), Mots, septembre 1989.

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    01/09/12
    Rosa Luxemburg, die Spartakusgruppe und der Kampf für eine oppositionsfähige Linke

    Am Abend des 4. August 1914: Eine handvoll Vertreter der SPD-Linken versammelt sich in Rosa Luxemburgs Wohnung in Berlin-Südende. Die Stimmung ist gedrückt, denn das Unfassbare ist geschehen: Wenige Stunden zuvor hat die SPD-Fraktion im Reichstag den kaiserlichen Kriegskrediten zugestimmt. Damit unterstützte die Partei genau den Krieg, vor dem sie seit Jahren gewarnt hatte.

    Bisher vertrat die Sozialdemokratie einen klar antimilitaristischen Standpunkt. Noch 1912 hatte die Sozialistische Internationale folgende Resolution verabschiedet: „Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht der Sozialdemokratie, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.“ Doch jetzt, wo den Worten Taten folgen sollten, knickte die SPD-Führung ein.

    In der Partei verbleiben?

    Die Linken um Rosa Luxemburg hatten sich getroffen, um zu diskutieren, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Sie waren wenige – lediglich Hermann Duncker, Hugo Eberlein, Julian Marchlewski, Franz Mehring, Ernst Meyer und Wilhelm Pieck saßen in ihrer Wohnung. Luxemburg hatte trotz oftmals großer Differenzen mit der SPD-Führung nie eine feste Gruppe von Gleichgesinnten um sich geschart. Sie hatte befürchtet, sich so in der Partei zu isolieren.

    Allen Anwesenden war klar, dass die gesamte Arbeit jetzt auf den Aufbau einer Antikriegsbewegung zu richten sei. Umstritten war jedoch, welche organisatorische Konsequenz die Linken aus dem Verrat der SPD-Führung ziehen sollten. Die Idee eines gemeinsamen, öffentlichkeitswirksamen Parteiaustritts kam auf – und wurde nach kurzer Diskussion von allen Beteiligten verworfen. Luxemburgs meinte ein paar Jahre später hierzu: „Aus kleinen Sekten und Konventikeln kann man ‚austreten‘, wenn sie einem nicht mehr passen, um neue Sekten und Konventikel zu gründen. Es ist nichts als unreife Phantasie, die gesamte Masse der Proletarier aus diesem schwersten und gefährlichsten Joch der Bourgeoisie durch einfachen ‚Austritt‘ befreien zu wollen und ihr auf diesem Wege mit tapferem Beispiel voranzugehen.“

    Zugleich benannten die SPD-Linken klare Kriterien für ihr weiteres Verbleiben in der SPD. Leo Jogiches, der sich der Gruppe bald anschloss, fasste sie zusammen: Die Zugehörigkeit zur gegenwärtigen SPD darf von der Opposition nur solange aufrechterhalten werden, als diese ihre selbständige politische Aktion nicht hemmt noch beeinträchtigt. Die Opposition verbleibt in der Partei, nur um die Politik der Mehrheit auf Schritt und Tritt zu bekämpfen und zu durchkreuzen, die Massen von der unter dem Deckmantel der Sozialdemokratie betriebenen imperialistischen Politik zu schützen und die Partei als Rekrutierungsfeld für den proletarischen antiimperialistischen Klassenkampf zu benutzen.“

    Luxemburg und ihre Genossen gingen davon aus, dass an der SPD-Basis große Verwirrung, aber auch Unmut über den Kurswechsel der Führung herrsche. Deshalb beschlossen sie eine Art Doppelstrategie. Zum einen wollten sie sich über Flugblätter direkt an die Arbeiterschaft wenden, um so eine außerparlamentarische Opposition gegen den Krieg aufzubauen. Zum anderen sollte auf allen Ebenen der Kampf um die Sozialdemokratie geführt werden.


    Gärung in der SPD

    Sehr schnell zeigte sich, dass es tatsächlich in der SPD rumorte. Aus vielen Ortsvereinen wurden Proteste gegen den Vorstand laut. Am 6. August sprach die überwältigende Mehrheit der Stuttgarter Ortsgruppe ihrer Reichstagsfraktion das Misstrauen aus. Auch die „Bremer Bürger-Zeitung“, der „Braunschweiger Volksfreund“, das Gothaer „Volksblatt“, „Der Kampf“ aus Duisburg, sowie Parteizeitungen in Nürnberg, Halle, Leipzig und Berlin veröffentlichten Proteststimmen gegen die Zustimmung zu den Kriegskrediten und spiegelten so die Ablehnung großer Teile der Parteibasis wider.

    Dieser Unmut erreichte bald auch die SPD-Reichstagsfraktion. Am 4. August hatten noch alle Abgeordneten für die Kriegskredite gestimmt, auch die Linken um Karl Liebknecht, weil sie die Fraktionsdisziplin nicht brechen wollten. Nachdem Liebknecht bei Parteiversammlungen scharf für sein Verhalten kritisiert wurde, begann er, in der Fraktion gegen den Krieg zu arbeiten. Bei einer erneuten Abstimmung über die Kriegskredite am 2. Dezember 1914 stimmte Liebknecht als einziger Abgeordneter mit „Nein“ – und wurde so schlagartig zu einer Ikone des Widerstands. Im Lauf der Zeit konnte er immer mehr Abgeordnete auf seine Seite ziehen. So lehnten am 19. August 1915, knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn, bereits 36 Parlamentarier der SPD die Kredite ab.

    Um ihre Ideen und ihre Kritik an der SPD-Führung bekannter zu machen, entschlossen sich Luxemburg und ihre Genossen, eine Zeitschrift herauszubringen. Diese sollte die namhaftesten Persönlichkeiten der Opposition zusammenbringen um möglichst breit in die Partei hineinzuwirken. Außerdem sollte sie dabei helfen, das Netzwerk der Kriegsgegner auf ein ideologisches Fundament zu stellen. Die Zeitschrift nannten die SPD-Linken „Die Internationale“, sich selbst Gruppe Internationale. Die erste Ausgabe erschien im April 1915 und war ein Riesenerfolg: Von 9.000 gedruckten Exemplaren gingen allein am ersten Abend 5.000 weg. Der Bedarf nach klaren Worten und Ideen gegen den Krieg war an der SPD-Basis enorm.

    Weil „Die Internationale“ so erfolgreich war, kam nie eine zweite Ausgabe heraus – die kaiserlichen Behörden zensierten gnadenlos. Doch das half nichts: Infolge der einsetzenden Kriegsmüdigkeit erhielt die Antikriegsbewegung weiter Zulauf.

    Am 1. Mai 1916 gingen etwa 10.000 Menschen in Berlin gegen den Krieg auf die Straße. Liebknecht ergriff das Wort und rief: „Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung!“ Daraufhin wurde er verhaftet, was eine Protestwelle auslöste. Am 27. Juni demonstrierten 25.000 Arbeiter in Berlin für seine Freilassung. Einen Tag später protestierten sogar 55.000 Arbeiter mit einem politischen Streik gegen die Verhaftung.

    Parallel zur aufkeimenden Bewegung verschoben sich auch die Kräfteverhältnisse innerhalb der  SPD. 1916 hatte die Opposition bereits Verbindungen zu SPD-Gliederungen in 300 Städten. Die Führung geriet immer mehr unter Druck.


    Drei Strömungen

    Zu dieser Zeit war die SPD in drei innerparteiliche Strömungen zerfallen. Auf der ganz linken Seite standen die revolutionären Internationalisten. Dazu gehörten neben der Spartakusgruppe, wie sie sich die Linken um Luxemburg jetzt nannten, auch noch Zusammenschlüsse wie die „Bremer Linksradikalen“.

    Die Internationalisten standen auf den politischen Grundlagen, wie sie die Vorkriegssozialdemokratie formuliert hatte: keine Zusammenarbeit mit der eigenen herrschenden Klasse, sondern internationale Solidarität aller Arbeiter, um den Krieg zu beenden. Sie hielten es mit der Analyse des französischen Sozialisten Jean Jaurès: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“ Sie wollten deshalb die Herrschaft der Kapitalisten stürzen. Als Mittel hierzu sahen sie Proteste und Massenstreiks von Arbeitern und Soldaten.

    Auf der „rechten“ Seite befanden sich die „Sozialpatrioten“ um den Parteivorsitzenden Friedrich Ebert – jene Sozialdemokraten, die den Krieg unterstützen. Einige von ihnen ließen sich sogar vom Kaiser und der Regierung für Kriegspropaganda einspannen. Die Sozialpatrioten kontrollierten zudem die gewerkschaftlichen Führungen und versuchten, kampfbereite Arbeiter in den Betrieben zurückzuhalten, um den „Burgfrieden“ mit der Regierung nicht zu gefährden. Den aufkeimenden innerparteilichen Protest versuchten die „Sozialpatrioten“ autoritär zu unterdrücken, indem sie Kriegsgegner aus Gremien ausschlossen.

    Zwischen diesen beiden Flügeln stand das „Zentrum“. Dessen Vertreter verfolgten eine Politik des „Sowohl-als-auch“. Anfänglich hatten sie mehrheitlich den Krieg unterstützt. Durch die zunehmenden Horrormeldungen von der Front und unter dem Einfluss der revolutionären Internationalisten bewegten sie sich in Richtung Kriegsgegnerschaft. Gleichzeitig wollten die Zentrumsleute keinen offenen Kampf gegen die „Sozialpatrioten" führen, um die Einheit der Partei nicht zu gefährden. Um den Krieg zu beenden, appellierten sie an Kaiser und Militärführung, in Friedensverhandlungen einzutreten. Den Aufbau einer außerparlamentarischen Antikriegsbewegung und deren Ausweitung in eine revolutionäre Bewegung unterstützten sie nur halbherzig. An der Spitze dieser Strömung stand der bekannte marxistische Theoretiker Karl Kautsky. Sie schloss sich im März 1916 zur „Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft“ (SAG) innerhalb der SPD zusammen.
    Wie mit dieser Strömung umgehen? Das war eine Frage, vor der Spartakusgruppe stand. Ein Vorschlag war, eine gemeinsame Organisation innerhalb der SPD zu bilden. Luxemburg war dagegen. Als eine Konferenz der Kriegsgegner im Winter 1916 einberufen werden sollte, schrieb sie: „Unsere Taktik auf dieser Konferenz müsste dahin gehen, nicht etwa die ganze Opposition unter einen Hut zu bringen, sondern umgekehrt aus diesem Brei den kleinen, festen und aktionsfähigen Kern herauszuschälen, den wir um unsere Plattform gruppieren können. Mit organisatorischer Zusammenfassung hingegen ist große Vorsicht geboten. Denn alle Zusammenschlüsse der ‚Linken‘ führen nach meiner bitteren langjährigen Parteierfahrung nur dazu, den paar aktionsfähigen Leuten die Hände zu binden.“

    Das bedeutete nicht, dass Luxemburg gegen die konkrete praktische Zusammenarbeit aller Kriegsgegner war. Sie glaubte allerdings, dass die inhaltlichen Gegensätze zwischen Zentrum und Revolutionären so groß waren, dass bei einem organisatorischen Zusammenschluss die Handlungsfähigkeit der Revolutionäre leiden würde. So gab es zum Beispiel in der Frage, ob Arbeiterstreiks gegen den Krieg unterstützenswert seien, keine Einigkeit. Ein Streit darüber hätte eine gemeinsame Plattform gelähmt.


    USPD und Spartakusbund

    Ab Ende 1916 bewegte sich die SPD unaufhaltsam auf die Spaltung zu. Im Herbst jenes Jahres entschieden sich immer mehr Ortsvereine, dem Parteivorstand keine Mitgliederbeiträge mehr zu überweisen. Nachdem die Opposition am 7. Januar 1917 eine erste Reichskonferenz organisiert hatte, beschloss die SPD-Führung deren Parteiausschluss – sowohl der Revolutionäre als auch großer Teile des Zentrums. Das Schisma der Sozialdemokratie war vollzogen. Hatte die Partei zu Beginn des Weltkrieges noch eine Million Mitglieder, so waren es nun nur noch 200.000.

    Die Ausgeschlossenen organisierten Anfang April 1917 in Gotha eine weitere Reichskonferenz. Dort beschlossen sie die Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). An der Gründungsversammlung nahmen Delegierte aus 91 sozialdemokratischen Wahlkreisorganisationen und 15 Reichstagsabgeordnete teil. Die neue Partei hatte eine sehr heterogene Mitgliedschaft: Unter ihren prominenten Gründern waren Kriegsgegner der ersten Stunde wie Hugo Haase oder Kurt Eisner, marxistische Theoretiker wie Karl Kautsky, aber auch theoretische Wegbereiter der Rechten wie den „Revisionisten“ Eduard Bernstein.

    Mit der Gründung der USPD stellte sich auch für die Revolutionäre die Organisationsfrage neu. Die Arbeit in der SPD war durch disziplinarische Maßnahmen der Parteiführung unterbunden worden, jetzt musste das Verhältnis zur neuen Partei bestimmt werden. War es besser, unabhängig von der USPD zu agieren oder Fraktionsarbeit innerhalb der neuen Partei zu betreiben? An dieser Frage spaltete sich die Linke. Die „Bremer Linksradikalen“ traten der USPD nicht bei, weil sie den vormaligen Zentrumsleuten ihre schwankende und halbherzige Haltung vorwarfen.

    Auch Luxemburg nahm nichts von ihrer Kritik an dem Zentrum zurück. Trotzdem argumentierte sie für einen Eintritt der Spartakusgruppe in die USPD. Ihre Überlegung war folgende: Die deutsche Arbeiterbewegung bräuchte eine revolutionäre Massenpartei, die nicht nur gegen den Krieg, sondern auch gegen das kapitalistische System als Ganzes den Kampf aufnehme. Eine solche Partei falle jedoch nicht vom Himmel, sondern sei das Ergebnis eines Gärungsprozesses, dessen erste Phase mit der organisatorischen Spaltung der SPD und der Gründung der USPD abgeschlossen ist. Die USPD stelle einen bedeutenden Schritt nach links von substanziellen Teilen des Parteiapparates und der SPD-Anhängerschaft dar. Gleichzeitig sei die neue Partei so uneinheitlich und die Spannbreite ihrer Flügel so groß, dass in Folge einer großen gesellschaftlichen Krise, wie zum Beispiel einer revolutionären Massenbewegung, eine Krise unausweichlich sei.

    „Es gilt ebenso, die neue Partei, die größere Massen in sich vereinigen wird, als Rekrutierungsfeld für unsere Ansichten, für die entschiedene Richtung in der Opposition auszunutzen“, fasste Jogiches die Haltung der Spartakusgruppe zusammen. „Es gilt schließlich, die Partei als ganzes durch rücksichtslose Kritik, durch unsere Tätigkeit in den Organisationen selbst wie auch durch unsere selbständigen Aktionen vorwärts zu treiben, eventuell auch ihrer schädlichen Einwirkung auf die Klasse entgegenzuwirken.“


    Die Linke in der Revolution

    Anfang November 1918 passierte schließlich das, worauf die Spartakusgruppe jahrelang hingearbeitet hatte: Eine Massenbewegung von Arbeitern und Soldaten stürzte den Kaiser und beendete die deutsche Beteiligung am Weltkrieg. Die Gruppe hatte bis zu diesem Zeitpunkt ihr Organisationsnetz weiter ausgebaut. Sie brachte acht verschiedene Publikationen heraus, deren Auflage zwischen 25.000 bis 100.000 lag – und das zu einem Zeitpunkt, als nahezu die gesamte Leitung der Spartakisten im Gefängnis saß. Dennoch war die Gruppe im Verhältnis zu der gigantischen Bewegung, die nun begann, winzig klein: Sie hatte gerade einmal 3.000 Mitglieder.

    Rosa Luxemburg befürchtete, dass sich die SPD an die Spitze der revolutionären Bewegung setzen würde, um sie abzuwürgen. In den Wochen vor Beginn der Revolution waren Vertreter der Partei vom angeschlagenen Kaiser in die Reichsregierung berufen worden. Luxemburg prophezeite: „Der Regierungssozialismus stellt sich mit seinem jetzigen Eintritt in die Regierung als Retter des Kapitalismus der kommenden proletarischen Revolution in den Weg.“ Deshalb kämpfe sie dafür, dass sich die USPD bedingungslos auf die Seite der revoltierenden Arbeiter und Soldaten stelle. Ihr wesentliches Argument: Wenn die Revolution nicht weitergetrieben wird, wenn die Arbeiter den Fabrikherren nicht die Macht entreißen, dann wird die alte Ordnung zurückkehren und fürchterlich Rache nehmen.

    Doch im revolutionären Überschwang im November 1918 vertraten sie eine Minderheitenposition. Als die SPD verkündete, sie wolle eine gemeinsame Regierung mit der USPD bilden, willigte deren Führung ein. Luxemburg bilanzierte ernüchtert: „Wir haben der USPD angehört, um aus der USPD herauszuschlagen, was herausgeschlagen werden kann, um die wertvollen Elemente der USPD voranzutreiben, um sie zu radikalisieren. Das, was erreicht wurde, war außerordentlich gering. Mittlerweile dient die USPD als Feigenblatt für die Ebert-Scheideman.“ Die Spartakusbund, wie sich die Gruppe nun nannte, beschloss daraufhin, die USPD zu verlassen. Luxemburg verkündete, dass es „für eine Partei der Halbheit und Zweideutigkeit in der Revolution keinen Platz mehr“ gebe. 

    Gemeinsam mit den „Bremer Linksradikalen“ gründete der Spartakusbund um die Jahreswende 1918/19 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Die Delegierten erwarteten das baldige Auseinanderbrechen der USPD. Doch zunächst passierte das Gegenteil. Die USPD wuchs rasant – vor allem weil sie Ende Dezember 1918 die gemeinsame Regierung mit der SPD wieder verlassen hatte. Seitdem verdreifachte sich ihre Mitgliederzahl auf 300.000 im Januar.

    Eine große Streikbewegung im Ruhrgebiet, die Bayerische Räterepublik und der Kapp-Putsch 1920 führten zu einem weiteren Wachstum der Partei. Im Oktober 1920 hatte sie fast 900.000 Mitglieder. Bei der Reichstagswahl im Juni desselben Jahres erreichte die USPD mit 17,9 Prozent der Stimmen. Nicht nur, dass viele durch die Revolution neu radikalisierte Arbeiter bei der USPD landeten - die Partei radikalisierte sich auch und bewegte sich nach links.

    Die KPD hingegen griff nicht in die Arbeiterschaft aus. Sie wurde Anfang 1919 verboten, kurz darauf wurden Luxemburg, Liebknecht und Jogiches von rechtsgerichteten Soldaten ermordet. Ihrer erfahrensten Führungspersönlichkeiten beraubt und durch interne Streitigkeiten gelähmt, kam die KPD bei der Wahl 1920 gerade einmal auf 2,1 Prozent der Stimmen.

    Neues Leben wurde der KPD ausgerechnet durch die Spaltung der Partei eingehaucht, die viele ihrer Mitglieder zwei Jahre zuvor verlassen hatten. Rosa Luxemburg hatte Recht behalten: Die USPD zerbrach an ihren inneren Widersprüchen. Auf dem Parteitag am 12. Oktober 1920 kam es zum Bruch. Teile der Mitgliedschaft hatten sich so weit nach links entwickelt, dass sich die Parteitagsmehrheit für einen Zusammenschluss mit der KPD aussprach. Zwar folgte nicht die gesamte Mitgliedschaft, dennoch gewann die KPD über Nacht mehr als 300.000 neue Mitglieder und wurde zu einer Massenpartei. Die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD) sollte die Weimarer Republik maßgeblich mit prägen. Rosa Luxemburg erlebte es nicht mehr mit.

    Ausblick

    Auch heute ist die Sozialdemokratie wieder in der Krise. Erstmals seit Jahrzehnten hat sich mit der LINKEN eine relevante, in der Arbeiterbewegung verankerte Kraft links von ihr gegründet. Damit besteht die Möglichkeit, die Tradition des lebendigen Marxismus, wie er von Rosa Luxemburg und der Spartakusgruppe verkörpert wurde, unter veränderten Bedingungen wieder neu aufleben zu lassen.

     

    Marcel Bois ist Historiker und promoviert an der Universität Hamburg zur Geschichte der KPD.

    Stefan Bornost ist leitender Redakteur von marx21 und aktives Mitglied der LINKEN in Berlin.

     

    Der Text erschien zuerst in: Eckhart Spoo (Hg.): Oppositionsfähig werden! Einsendungen zum 80. Geburtstag von Arno Klönne, Hannover 2011, S. 94-103.

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